So ist es eine faustdicke Überraschung, dass Mercedes auf dem weltweit größten Pick-Up-Markt in den USA mit seiner neuen X-Klasse gar nicht erst antritt. Wie schon vor Jahren Volkswagen mit seinem kaum kleineren Amarok wollen sich die ansonsten so US-affinen Stuttgarter auf die Märkte in Südamerika und Europa konzentrieren. Der Grund liegt nach Aussagen von Mercedes-Verantwortlichen in der Dimension der X-Klasse. Auch wenn 5,34 Meter Länge, weit mehr als zwei Tonnen Leergewicht, über eine Tonne Nutzlast und umfangreiche Offroad-Fähigkeiten zunächst imposant erscheinen - in den USA weht ein anderer Wind. Hier würde die Mercedes X-Klasse in das Midsize-Segment der Pick Ups fallen und gegen Modelle wie Honda Ridgeline oder Chevrolet Colorado antreten. Die eigentliche Musik spielt nicht nur bei Fans von 50-Unzen-Steaks, Rodeo und Countrymusik jedoch eine Klasse darüber. Massenmodelle wie Ford F-150, Chevrolet Silverado oder Dodge RAM sind größer, schwerer und insbesondere leistungsfähiger als die X-Klasse, der hier ihre enge Verwandtschaft zum Navara im Wege steht.
Renault-Kooperation macht es möglich
Überhaupt tat sich Mercedes schwerer denn je, einen Pick Up auf breite Reifen zu stellen. Bereits von der ersten Generation der Mercedes ML-Klasse, produziert im amerikanischen Tuscaloosa, wollte man vor rund 20 Jahren ursprünglich einen Pick Up ableiten. Doch die Testmodelle waren um ein Vielfaches zu teuer, um die US-Kunden zu locken. Man hätte gegen die überaus günstig angebotenen Full-Size-Pick-Ups in den Vereinigten Staaten keine Chance gehabt. Diese beginnen noch heute zu Sparpreisen weit unter 30.000 Dollar und selbst die Edelversionen knacken kaum die 50.000-Dollar-Marke - inkl. V8-Power, gigantischer Nutzlast und über 350 PS.
So kam die Kooperation mit Renault-Nissan gerade Recht, zumindest einen halben Schritt zu machen. Pick Up - ja; US-Markt - nein. Komfortable Doppelkabine, Mercedes-Design und Konzerntriebwerke sollen erst einmal die Basisnachfrage testen. Während sich die X-Klasse von außen beinahe wie ein echter Mercedes abfühlt, gibt es im Innenraum ein zweiteiliges Bild. Instrumente, Multifunktionsbildschirm und Bedienmodule oberhalb der Gürtellinie kennt man von der Mercedes C-Klasse. In der unteren Hälfte der Armaturentafel an Mittelkonsole, Schaltern und Sitzen gibt es jedoch Nissan-Ware, die im Vergleich zum Sternenkleid deutlich abfällt. Immerhin erspart einem Daimler eine so peinliche Lösung wie bei dem Mercedes Citan, der nicht mehr ist, als ein billiger Renault Kangoo mit Mercedes-Stern.
- Details
- Veröffentlicht: 17. Juli 2017