Hausmessen im Anmarsch?
Dass die großen Automessen immer mehr an Bedeutung verlieren, lässt sich seit Jahren beobachten. Rund um den Genfer Salon machte bei einigen Autoherstellern eine neue Idee die Runde: eine Hausmesse ohne Konkurrenz mit maximaler Aufmerksamkeit für die eigenen Neuheiten. Ähnliches gibt es bereits bei Apple und Tesla.
Automessen haben seit Jahrzehnten zwei höchst unterschiedliche Adressaten. Da ist auf den ersten Blick das Publikum, dass sich in den Messehallen die mehr oder weniger perfekt inszenierten Fahrzeuge, Innovationen und Markenaufritte anschauen soll. Doch für die Zuschauer, seien es nun ein paar zehntausend bei einer B-/ C-Messe oder hunderttausenden bei einer Topveranstaltung wie in Frankfurt, Peking oder New York, ist der finanzielle Aufwand in den meisten Fällen deutlich zu hoch. Vielmehr geht es den Herstellern darum, die internationale Journalisten mit neuen Produkten, Nachrichten und technischen Innovationen zu beeindrucken. Diese wiederum tragen die hoffentlich frohe Markenbotschaft über die verschiedenen Kanäle in die weite Welt hinaus.
Der Genfer Salon beginnt Wochen vorher
Waren es einst vor allem die Printtitel, die vorab und nach der Messe von den Neuheiten farben- und seitenstark berichteten, so hat sich das Blatt gewandelt. Bei Tageszeitungen und Magazinen interessiert sich nach der Messe niemand mehr für die Inhalte der Veranstaltung. Längst wird von den großen Automessen in aller Welt tagesaktuell oder gar live in Echtzeit über Social Media, TV oder online berichtet. Um überhaupt noch Niederschlag in den traditionellen Medien zu finden und im bunten Marken- und Modelltohuwabohu dann mit den eigenen Botschaften nicht völlig unterzugehen, hilft nur eine peinlich genau geplante Vorberichterstattung.
Bestes Beispiel ist hierfür der Genfer Automobilsalon, der alljährlich Anfang März das europäische Automobiljahr eröffnet. Diese Messe findet medial längst in den drei Wochen statt, bevor sich die erste Messetür geöffnet hat. In inhaltlicher Scheibchenleere werden gekonnt die großen und noch so kleinen Nachrichten gestreut; wirkliche Neuheiten gibt es auf der Messe selbst dann kaum noch zu sehen. Da macht der 88. Genfer Automobilsalon, der aktuell im Messezentrum Palexpo stattfindet, keine Ausnahme. Zwar verkaufen gerade Kleinhersteller, Tuner und Premiumhersteller auf dem exklusiven Autosalon am Lac Leman an finanzkräftige Kunden aus dem In- und Ausland tatsächlich vom überschaubar dimensionierten Messestand das ein oder andere hochpreisige Fahrzeug. Doch real geht es darum, dass die Journalisten über die Neuheiten berichten, Interviews führen und medial den Weg ins automobile morgen aufzeigen.
Immer mehr Hersteller fehlen
Doch nachdem in den späten 90er und 2000er Jahren die Kosten explodierten, sieht es für die Messen düsterer denn je aus. Das finanzielle Engagement eines Premiumautoherstellers, um auf der alle zwei Jahre stattfindenden IAA in Frankfurt zu glänzen, rotiert deutlich im zweistelligen Millionenbereich. Wer sich zum Beispiel die wochenlang aufwendigst von Daimler umgebaute Frankfurter Festhalle als Automobiltempel der Neuzeit anschaut oder die einst von Audi auf dem Messevorplatz Agora aufgebaute Kunststoffhalle besuchte, der liegt schnell bei einem Invest von über 50 Millionen Euro. Selbst ein überschaubar inszenierter Messeauftritt eines mittelgroßen europäischen Autoherstellers kostet zwei bis fünf Millionen Euro - Geld, das sich nur schwer wieder hereinholen lässt und vielen Entscheidern ist es längst zu wenig greifbar, was der einzelne Messeauftritt für Produkte, Markenimage und Innovationsgrad wirklich an Rückfluss bringt.
Kein Wunder, dass auf der vergangenen Internationalen Automobilausstellung (IAA 2017) im vergangenen Herbst fast ein Dutzend namhafter Autohersteller fehlte und diese gar keinen Messestand hatten. Auch in Genf fehlten Marken die Opel, Chevrolet, Infiniti oder Cadillac. Nachdem der Ford-Konzern die wenig premiumfreundliche Automesse des Pariser Salons 2016 schwänzte und dafür nicht abgestraft wurde, werden auch in diesem Herbst einige Firmen an der Seine fehlen. Auch Volkswagen plant, der umstrittenen Messe fernzubleiben oder allenfalls die nationale Vertriebsorganisation mit kleinen Besteck auftreten zu lassen. Wirklich negativ hat sich bisher kein Fernbleiben von einer Messe bemerkbar gemacht.
Der Bann, sich die Messen zu sparen oder auf einzelne Messeauftritte zu setzen, scheint gebrochen. Ford fehlte in Paris 2016, Hersteller wie Peugeot, Mitsubishi, Fiat oder Nissan schwänzten die IAA 2017 und Mercedes wird der Detroit Motorshow 2019 fernbleiben, obschon der hauseigene Auftritt in diesem Jahr mit Dieter Zetsche, Arnold Schwarzenegger und einer allgegenwärtigen Mercedes G-Klasse ein großer war. Einst wurden auf der NAIAS in Detroit Rinderherden durch die Straßen getrieben, um eine Show zu liefern, weltbekannte Musiker trällerten ins Mikrofon oder es gab Giganto-Auftritte in der benachbarten Joe-Louis-Arena. Volvo bespielt wie Nissan pro Kontinent nur noch einen Event. Das war\'s.