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Batterie und Brennstoffzelle bilden eine Symbiose
Seit 2005 leitet Prof. Dr. Christian Mohrdieck (58) den Bereich Antriebsentwicklung Brennstoffzellensystem im Ressort Konzernforschung und Entwicklung Mercedes-Benz Cars bei Daimler. Zudem hat er die Geschäftsführung der NuCellSys GmbH, der 100-prozentigen Tochter der Daimler AG inne. Diese gilt als weltweit führend auf dem Gebiet der Entwicklung von Brennstoffzellen- und Tanksystemen für Fahrzeuganwendungen. Mohrdieck hat damit die Verantwortung für die Brennstoffzellen-Antriebsaktivitäten der Daimler AG einschließlich der Kooperationen. Wir sprachen mit ihm über das Vorserienmodell des GLC F-CELL und die Zukunft der Brennstoffzellentechnologie.

Batterie und Brennstoffzelle bilden eine Symbiose

Mercedes GLC F-Cell - Prof. Dr. Christian Mohrdieck (Foto: Hersteller)

Seit 2005 leitet Prof. Dr. Christian Mohrdieck (58) den Bereich Antriebsentwicklung Brennstoffzellensystem im Ressort Konzernforschung und Entwicklung Mercedes-Benz Cars bei Daimler. Zudem hat er die Geschäftsführung der NuCellSys GmbH, der 100-prozentigen Tochter der Daimler AG inne. Diese gilt als weltweit führend auf dem Gebiet der Entwicklung von Brennstoffzellen- und Tanksystemen für Fahrzeuganwendungen. Mohrdieck hat damit die Verantwortung für die Brennstoffzellen-Antriebsaktivitäten der Daimler AG einschließlich der Kooperationen. Wir sprachen mit ihm über das Vorserienmodell des GLC F-CELL und die Zukunft der Brennstoffzellentechnologie.

In diesem Jahr kommen die ersten GLC F-CELL zu ausgewählten Kunden. Anders als etliche Wettbewerber hat Daimler langen Atem bewiesen und an der Technologie festgehalten. Warum?

Christian Mohrdieck: Die Brennstoffzellentechnologie ist integraler Bestandteil unserer Antriebsstrategie. Die Vorteile liegen für uns klar auf der Hand: Null Emissionen, hohe Reichweiten und kurze Betankungszeiten sowie ein breites Einsatzspektrum vom Pkw bis zu Bussen, anderen großen Nutzfahrzeugen und nicht zuletzt auch für stationäre Anwendungen.

Hohe tägliche Reichweiten

Was steht dem Durchbruch noch im Weg?

Christian Mohrdieck: Die Marktreife von automobilen Brennstoffzellensystemen hinsichtlich Performance ist heute unbestritten. Sicherlich ist die Tankstellen-Infrastruktur für Kunden noch ein Unsicherheitsfaktor. Aber die Zahl der Tankstellen wächst, und das nicht nur in Deutschland. Mit unserer neuen Fahrzeuggeneration auf Basis des GLC haben wir durch die Integration der Plug-in-Technik eine zusätzliche Reichweitenverlängerung und Lademöglichkeit geschaffen. Ein anderes Thema sind natürlich die Herstellkosten - aber auch da haben wir jetzt wieder einen wichtigen Schritt gemacht und wir sehen die nächsten Verbesserungspotenziale klar vor uns.


Für wen sind Brennstoffzellenautos geeignet, welche Rolle spielen sie im Antriebsportfolio von Mercedes?

Christian Mohrdieck: Der Brennstoffzellenantrieb ist vor allem für Kunden interessant, die eine hohe tägliche Reichweite benötigen und Zugriff auf Wasserstofftankstellen haben. Für Fahrzeuge im städtischen Umfeld hingegen ist heute ein rein batterieelektrischer Antrieb eine sehr gute Lösung. Der GLC F-CELL ist ein wichtiger Schritt für uns, auch wenn wir heute noch keine großen Fahrzeugvolumina darstellen. Wir sind sehr gespannt auf die Rückmeldungen unserer Kunden.

Plug-In-Brennstoffzelle

Der GLC F-CELL ist ein weltweit einzigartiger Plug-in-Hybrid. Warum kombinieren Sie Brennstoffzellen- und Batterietechnik auf diese Weise?

Christian Mohrdieck: Wir wollten die Vorteile der Hybridisierung nutzen und uns nicht zwischen A oder B entscheiden müssen. Die Batterie bietet drei Vorteile: Wir können kinetische Energie rekuperieren, beim Beschleunigen steht zusätzlicher Schub zur Verfügung und die bereits angesprochene Verlängerung der Reichweite. Die Plug-in-Lösung hilft dem Kunden in der initialen Phase der Infrastruktur mit einem noch "dünnen" Tankstellennetz: ca. 50 km können zuhause geladen werden. Damit kommt man in Deutschland in den meisten Fällen zur nächsten Wasserstofftankstelle.

Mercedes Fuel Cell (Foto: Hersteller)
Mercedes Fuel Cell Christian Mohrdieck 2. v. links (Foto: Hersteller)
Mercedes GLC F-Cell (Foto: Mercedes)
(Foto: Mercedes)
(Foto: Mercedes)
(Foto: Mercedes)

Die GLC F-CELL Vorserienfahrzeuge werden in Deutschland produziert. Wie sieht das im Detail aus?

Christian Mohrdieck: Sie könnte jedenfalls eine sein. Batterie und Brennstoffzelle bilden eine Symbiose. Die beiden Technologien ergänzen sich sehr gut: Die Power und Schnelligkeit der Batterie unterstützen die reichweitenstarke und schnell betankbare Brennstoffzelle, die ihren idealen Betriebszustand eher in leistungskonstanten Fahrzuständen hat. Vorstellbar wäre in Zukunft eine Kombination skalierbarer Batterie- bzw. Brennstoffzellenmodule - je nach Mobilitätsszenario und Fahrzeugtyp.


Ist ein Plug-in-Brennstoffzellenfahrzeug also die Lösung für die Zukunft der Mobilität?

Christian Mohrdieck: Auch beim GLC F-CELL greifen wir auf unser weltweites Kompetenznetzwerk zurück. Das Fahrzeug selbst wird in Bremen in Kooperation mit unserem Partner EDAG gefertigt. Die Brennstoffzellensystemmontage erfolgt am Standort Kirchheim-Nabern, der zum Mercedes Werk Untertürkheim gehört. Hier entsteht die komplette Antriebseinheit nach der traditionell bei Mercedes-AMG angewandten Methode "Ein Mann, ein Motor". Die komplexe Brennstoffzellensystemproduktion ist mit einem intelligenten Steuerungssystem ausgerüstet. So werden unsere Monteure zum Beispiel bei jedem Arbeits- und Prüfschritt digital angeleitet, die Werkzeug- und Anlagensteuerung wird mit den Einstellgrößen versorgt und jeder Schritt wird dann sofort online elektronisch dokumentiert. Das Wasserstoff-Tanksystem wird im Mercedes-Werk Mannheim montiert.

Aktuell wird der Wasserstoff für den Brennstoffzellenantrieb noch überwiegend aus fossilen Energiequellen wie Erdgas gewonnen. Wirklich "grün" ist das noch nicht, oder?

Christian Mohrdieck: Ja, das ist auch nur ein erster Schritt, der zeigt, dass lokal emissionsfreies Fahren mit der Brennstoffzellentechnologie eine echte Alternative sein könnte. Schon mit Wasserstoff aus Erdgas können die CO2-Emissionen in der Gesamtkette um gut 25 Prozent gesenkt werden. Wichtig ist, dass er sich "grün" herstellen lässt. Dafür gibt es heute schon jede Menge Ansätze. Wasserstoff ist der ideale Energieträger, um Strom aus Wind- und Sonnenkraft zu speichern, die beide nicht kontinuierlich erzeugt werden. Mit einem stetig wachsenden Anteil erneuerbarer Energien wird Wasserstoff sicherlich eine zunehmend wichtige Rolle für das Gesamtenergiesystem spielen. und damit auch für den Mobilitätsbereich zunehmend attraktiver.

Wohin geht die Reise bei der Brennstoffzelle? Wann ist mit einem Durchbruch zu rechnen?

Christian Mohrdieck: Wir sind erst am Anfang. Ich denke Mitte der nächsten Dekade - aber sicherlich nach 2025 - wird die Relevanz der Brennstoffzelle generell und für den Transportsektor signifikant steigen. Ich meine damit keine plötzliche Explosion; es wird wahrscheinlich immer noch ein einstelliger Prozentsatz des globalen Marktes sein. Aber auch moderate Volumina werden helfen, Standards zu schaffen, die insbesondere für die Kostenreduktion essenziell sind. Man darf nicht vergessen: Damit eine Technologie den Durchbruch schafft, muss sie für beide Seiten - den Kunden und den Hersteller - attraktiv sein.

Autor: Hans Bast  Stand: 05.04.2018
Fotos:   
(Foto: Hersteller)