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Es gibt eine Zeit nach Corona
Die Corona-Krise hält die Autowelt stärker in Atem als jede Krise vor ihr. Aktuell geht man von einem weltweiten Einbruch von rund 20 Prozent aus und gerade Europa dürfte stärker als andere Regionen betroffen sein. Skoda-CEO Bernhard Maier über die aktuellen Herausforderungen der Autobauer, die Folgen der Corona-Pandemie und den Blick nach vorne.

Es gibt eine Zeit nach Corona

Skoda-Chef Bernhard Maier (Foto: Skoda)

Die Corona-Krise hält die Autowelt stärker in Atem als jede Krise vor ihr. Aktuell geht man von einem weltweiten Einbruch von rund 20 Prozent aus und gerade Europa dürfte stärker als andere Regionen betroffen sein. Skoda-CEO Bernhard Maier über die aktuellen Herausforderungen der Autobauer, die Folgen der Corona-Pandemie und den Blick nach vorne.

Frage: Wir treffen uns zum virtuellen Interview. Wie funktioniert das Home Office?

Bernhard Maier: Überraschend gut. Wir halten unsere Vorstandssitzungen virtuell ab, auch nahezu alle anderen Meetings finden online statt und E-Mail und Telefon gibt es ja auch noch. Dennoch freue ich mich auch schon wieder sehr auf den persönlichen Austausch, der eben doch unersetzbar bleibt. Er fehlt jetzt schon vielen und erfährt bestimmt eine neue Wertigkeit.

Frage: Wie haben Sie bei Skoda in den ersten Tagen auf die Corona-Krise reagiert?

BM: In einer Ausnahmesituation wie dieser war es für uns entscheidend, schnell und konsequent zu handeln. Wir haben umgehend eine Taskforce und einen Krisenstab eingerichtet, um alle relevanten Informationen zusammenzuführen und effizient Prozesse und Strukturen aufzubauen. Höchste Priorität hatte und hat die Gesundheit unserer Mitarbeiter und der Gesellschaft. Entsprechend haben wir am 18. März unsere Produktion in den drei tschechischen Fabriken heruntergefahren und unsere Lieferketten angepasst. Unser Fokus liegt nun darauf, die Zeit während des Shutdowns diszipliniert zu nutzen und den geordneten, schrittweisen Wiederanlauf zu organisieren. Einige Funktionen müssen auch dringend weiterlaufen wie zum Beispiel unser Kraftwerk oder die Ersatzteileversorgung. Gleichzeitig arbeiten wir an unseren zahlreichen Projekten, wie etwa der Entwicklung, weiter. Viele Aufgaben lassen sich zum Glück auch im Homeoffice erledigen.

Hart getroffen

Frage: Ursprünglich sollte die Produktion ab dem 6. April wieder anlaufen. Jetzt haben Sie den Produktionsstopp bis zum 20. April verlängert. Warum?

BM: Weil die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie länderübergreifend verlängert worden sind und auch unsere Handelsbetriebe in Tschechien und vielen weiteren EU-Ländern nach wie vor geschlossen sind. Auch die Funktionsfähigkeit unserer Lieferketten und die Teileversorgung ist noch nicht wieder gewährleistet. Selbst wenn wir jetzt unsere Produktion hochfahren würden, fehlten uns wichtige Teile zum Beispiel von Lieferanten aus dem südeuropäischen Raum. Ein Hochlauf der Werke sollte angesichts der engen Verzahnung zwischen Herstellern und Zulieferern gesamteuropäisch geplant werden.

Frage: Nehmen wir einmal an, Sie fahren ab 20. April die Produktion wirklich wieder hoch: Wie wollen Sie denn die Gesundheit Ihrer Angestellten schützen? Das Coronavirus wird bis dahin wohl kaum besiegt sein.

BM: Wir arbeiten aktuell an einem "Safe Production-" und "Safe Office-Konzept", um all unsere Beschäftigten und im Besonderen dort wo Menschen physisch eng zusammenarbeiten, beispielsweise in der Produktion, bestmöglich zu schützen. Das Konzept sieht umfangreiche Schutzmaßnahmen vor, wie zum Beispiel ausreichend Atemmasken und Desinfektionsmittel. Diese setzen wir bereits heute bei all denen ein, die aktuell dringende und notwendige Arbeiten während des Shutdowns ausführen.


Frage: Wie hart trifft die Corona-Krise Skoda?

Unsere weltweiten Absatzmärkte sind empfindlich getroffen. Das heißt, wir generieren zurzeit sehr wenig Umsatz, während unsere Fixkosten natürlich weiterlaufen. Das ist eine enorme Belastung. Ich begrüße deshalb sehr, dass die tschechische Regierung in dieser schwierigen Situation schnell und unbürokratisch die Wirtschaft unterstützt zum Beispiel in Form eines Hilfspakets, das mit dem deutschen Kurzarbeitergeld vergleichbar ist. So eine Maßnahme kann jedoch nicht unbegrenzt sein. Es ist für die gesamte Gesellschaft wichtig, in den kommenden Tagen und Wochen eine gute Balance zu finden zwischen dem bestmöglichen Schutz der Bürger vor dem Virus und der Sicherung von Wirtschaft und Arbeitsplätzen.

Frage: Können Sie die finanziellen Folgen der Corona-Pandemie schon abschätzen?

BM: Nein, dafür ist es viel zu früh. Positiv ist, dass wir solide gewirtschaftet haben und aktuell über ausreichend Liquidität verfügen. Skoda konnte in den vergangenen Jahren Rekordergebnisse verbuchen. Und ja, uns schmerzt jedes Auto, welches aktuell nicht vom Band läuft. Seit Jahren produzieren wir an unserer Kapazitätsgrenze. Dieser Produktionsausfall ist deshalb voraussichtlich in diesem Jahr leider nicht mehr ganz aufzuholen. Umso mehr hoffen wir, dass die Corona-Pandemie möglichst schnell eingedämmt werden kann, um die vielen Kunden, die auf unsere Autos warten, beliefern zu können. Mit unserem modernen und breiten Modellportfolio sind wir sehr gut aufgestellt, sobald die Geschäfte wieder öffnen, das öffentliche Leben hochfährt und die Wirtschaft in Gang kommt. Ich bin trotz dieser aktuell schwierigen Gesamtsituation zuversichtlich, dass unser Unternehmen gestärkt aus ihr hervorgeht. Auch, weil wir als große Skoda-Familie in diesen Zeiten noch enger zusammenrücken. Jetzt zeigen wir, was uns auszeichnet: Solidarität, Vertrauen und Besonnenheit. An dieser Stelle möchte ich ein großes Dankeschön an alle Skodianer aussprechen, die mit dieser Situation hervorragend umgehen. Dieser Dank gilt explizit auch unserem Sozialpartner Kovo.

Frage: Das heißt, Sie sind zuversichtlich, ohne Stellenstreichungen durch diese Krise zu kommen?

BM: Wir haben 2015 mit unserer Strategie 2025 einen klaren Wachstumsplan definiert, der greift. Diesen wollen wir nach der aktuell sehr herausfordernde Situation fortsetzen. Es gibt eine Zeit nach Corona. Unsere oberste Priorität ist, dafür alle Skodianer an Bord zu halten.

Frage: Welche Auswirkungen der Corona-Pandemie erwarten Sie für die Weltwirtschaft?

BM: Die Weltwirtschaft ist mit ihren global vernetzten Handelsströmen empfindlich getroffen. Die Auswirkungen kann heute noch niemand seriös abschätzen. Sie werden größer sein als bei den Krisen der vergangenen Jahrzehnte. Je länger das öffentliche Leben und die Wirtschaft angehalten wird, desto größer ist die Gefahr, dass unser allgemeiner Wohlstand, den wir uns in den vergangenen Jahren aufgebaut haben, erodiert. Deshalb werden wir diese Herausforderung nur gemeinsam mit koordinierten internationalen Anstrengungen meistern. Die Solidarität, die wir brauchen, um die Folgeschäden auszugleichen, wird noch größer sein müssen, als wir sie derzeit unter Beweis stellen.

Mobilitätsstrategie bleibt

Frage: Was meinen Sie damit genau?

BM: Jetzt kommt es beispielsweise noch stärker auf den paneuropäischen Zusammenhalt an, um nach der Krise wieder gemeinsam durchstarten zu können. Ich halte es zum Beispiel für richtig, jetzt über Eurobonds oder alternative Maßnahmen zu diskutieren, um unsere Europäische Union langfristig zu stärken. Wir bei Skoda sind Teil eines global agierenden Konzerns, der seine Wurzeln in Deutschland und in Europa hat. Für unsere Wirtschaft, zum Beispiel den freien Warenverkehr, und auch für unsere demokratische Gesellschaft ist meines Erachtens ein starkes, geeintes Europa unverzichtbar.

Frage: Die aktuelle Situation ist ja sehr unübersichtlich, wenn nicht sogar unkalkulierbar. Wie können Sie denn da überhaupt planen?

BM: Wir arbeiten an verschiedenen Szenarien, um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Abgeleitet von früheren Entwicklungen bei Gesundheitskrisen wird ein mögliches von den Experten als "V-Szenario" beschrieben. Das wäre eine noch beherrschbare Entwicklung. Danach sehen wir uns zwar kurzfristig mit einem großen Einbruch konfrontiert, kommen jedoch schnell und sogar stärker wieder aus der Talsohle heraus. Erste Anzeichen eines solchen Szenarios sehen wir zurzeit in China. Ich bin fest davon überzeugt, dass auch wir in Europa das schaffen können - mit den richtigen Schutzmaßnahmen für die Menschen, jedoch vor allem mit der richtigen Einstellung. Darüber hinaus wird es weitreichende Stimuli in Form von Förderprogrammen und Krediten der jeweiligen Regierungen für die Zeit danach geben müssen. Ich bin froh, dass viele EU-Länder solche Maßnahmen bereits jetzt diskutieren. Nur so wird das "V-Szenario" überhaupt denkbar. Es steht enorm viel auf dem Spiel. Für die notwendige Balance zwischen Humanität, Moral und Wirtschaft als Lebensgrundlage ist nationaler Egoismus nicht zielführend.

Frage: Doch auch die Unternehmen leisten auf verschiedene Weise Unterstützung für die Gesellschaft. Was macht Skoda?

BM: Wir helfen auf verschiedene Weise. Unsere Technische Entwicklung zum Beispiel produziert wiederverwendbare FFP3-Atemschutzmasken aus dem 3D-Drucker gemeinsam mit dem Research and Innovation Centre on Advanced Industrial Production (RICAIP) und dem Czech Institute of Informatics, Robotics and Cybernetics (CIIRC), die in den tschechischen Krankenhäusern dringend gebraucht werden. Darüber hinaus stellen wir eine Flotte von 150 E-Scootern über die Skoda Digilab Plattform BeRider zu Verfügung sowie über 200 Skodas für die medizinische Unterstützung und für Menschen, die dringend Mobilität brauchen. Auch in Indien, wo wir die Verantwortung für den Konzern tragen, produzieren unsere Kolleginnen und Kollegen im Werk Pune Schutzschilder für das Gesicht, die an Ärzte gespendet werden.

Skoda CEO Bernhard Maier (Foto: Skoda)
Skoda-Chef Bernhard Maier (Foto: press-inform / Skoda)
Skoda Octavia Combi (2020) (Foto: press-inform / Skoda)
(Foto: Skoda)
(Foto: press-inform / Skoda)
(Foto: press-inform / Skoda)

Frage: Wie beeinflusst die Corona-Krise Ihre E-Mobilitäts-Strategie?

BM: Wir halten Stand heute an unseren Planungen fest: Bis Ende 2022 haben wir zehn teilweise oder vollständig elektrifizierte Modelle im Programm. Noch in diesem Jahr stellen wir den Enyaq iV vor, unser erstes reines E-Auto, das von vorneherein als solches konzipiert wurde.

Frage: Was lernen Sie persönlich aus der Krise?

BM: Da fallen mir einige Dinge ein. Wir sollten zum Beispiel nie irgendetwas für selbstverständlich erachten. Gerade die einfachen und elementaren Dinge aus unserem Alltag. Wir lernen aktuell, sie wieder neu wertzuschätzen. In Sachen Kommunikation und Digitalisierung stelle ich fest, dass wir schon sehr viel weiter sind als wir vor der Coronakrise vielleicht gedacht haben. Wir können uns sehr schnell auf neue Arbeitsformen einstellen. Diese Effizienz der digitalen Kommunikation schöpfen wir auch nach der Krise weiter aus. Und abschließend: Wir werden vielleicht nach der Krise paradoxerweise feststellen, dass das Virus zwar physisch mehr Distanz geschaffen, uns jedoch alle noch näher zusammengeführt hat. Und deshalb steht trotz aller momentanen Ungewissheit für mich eines fest: In jeder Krise - auch in dieser - liegt für uns alle auch eine Chance.

Autor: Stefan Grundhoff, München  Stand: 05.04.2020
Fotos: Skoda