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Hoch auf dem gelben E-Mobil

Abt E-Caddy - eine ungewöhnliche Mischung (Foto: Hersteller)

Abt war bisher für spektakuläres Autotuning und Fahrzeugveredeln bekannt. Jetzt haben die Tuning-Spezialisten einen elektrischen VW Caddy entwickelt, der bei Briefzustellung eingesetzt werden soll.

Alt-Bundespräsident Walter Scheel schaffte es mit seiner Version des Volksliedes "Hoch auf dem gelben Wagen" sogar bis auf Platz fünf der Charts. Mit dem Pferdewagen werden die Briefe schon längst nicht mehr ausgeliefert. Doch jetzt steht die Post-Logistik vor einem neuerlichen Wechsel des Beförderungs-Vehikels. Statt mit Verbrenner-Geknatter sollen die gelben Wagen in Zukunft fast lautlos durch die Stadt rollen, da sie von Elektromotoren angetrieben werden. Die Umstellung zum Stromern ergibt beim Nutzungsprofil der modernen Postillione Sinn: "Bei den vielen Beschleunigungsphasen in der Stadt, ist ein Elektromotor für ein solches Fahrzeug durchaus geeignet", erklärt Abt-Entwickler Jens Häberle.

Motorsteuerung wird überlistet

Auch das Routenprofil spielt einem Elektro-Einsatz in die Karten. Die durchschnittliche Wegstrecke in der Verbundzustellung beträgt laut Häberle rund 46 Kilometer. Maximal sind es 100 Kilometer. Diese langen Routen gibt es ausgerechnet in der Gegend um Kempten. Die Reichweite der E-Caddys entspricht genau diesem Wert. "Da stoßen die Batterien schon an ihre Grenze", so Jens Häberle. Die Lithium-Ionen-Akkus haben eine Kapazität von 28,37 Kilowattstunden und kommen vom amerikanischen Hersteller A123 Systems. Die Antriebseinheit stammt von ATE, leistet 65 kW / 88 PS und beschleunigt das 1.690 Kilogramm schwere Post-Mobil auf maximal 120 km/h. Damit die Batterien im Winter nicht zu sehr durch Heizungs-Aufgaben beansprucht werden, haben die Techniker eine Zusatzheizung eingebaut, die mit Bio-Diesel befeuert wird. Der Tank fasst zwölf Liter. Damit reicht der Brennstoff auch für kalte Wintertage. "Alleine das Heizen über acht Stunden würde die Batterie entladen", verdeutlicht Jens Häberle. Da bei jedem Auslieferungs-Stopp die Tür auf und zu geht, wird die Heizung extrem belastet. Bis der Akku wieder vollständig geladen ist, vergehen lange elf Stunden und 30 Minuten.


Die Wärmeentwicklung und die Art und Weise, wie die Postboten die Autos nutzen, spielte auch bei der Auswahl des Triebwerks eine entscheidende Rolle. Ein Asynchronmaschine ist bei niedrigen Drehzahlen thermisch deutlich stärker belastet, als die Synchron-Version. Also wählten die Abt-Ingenieure die zweite Variante. Diese Antriebskonfiguration wird sowohl beim E-Caddy als auch bei der elektrifizierten Version des VW T5 verwendet. Für den rustikalen Alltags-Einsatz muss die Technik zuverlässig und leicht zu bedienen sein - wie ein "normales" Automobil. Um die Funktion von wichtigen Assistenzsystemen wie ESP oder ABS zu gewährleisten, muss der Motorsteuerung vorgegaukelt werden, dass sich das Auto im Standgas befindet - also alles in bester Ordnung ist. Sonst würde das Auto in den Notfall-Modus gehen. Diese elektronische Klippe umschifften die Allgäuer-Techniker mit Hilfe eines speziell programmierten Moduls. Bei der Konfiguration des elektrischen Antriebsstrangs half den Spezialisten das Wissen, dass die Ingenieure bei der Formel E erworben hatten. Dort hat Abt ein eigenes Team.

Pläne für die Zukunft

Sieben Autos sind in einem ersten Probelauf im täglichen Einsatz - drei in Kempten, zwei in Landau und zwei in Bonn. Momentan werden sieben weitere Elektrofahrzeuge gebaut und maximal sind 30 Autos geplant. Wie es weitergeht, steht noch in den Sternen. "Die Verhandlungen mit der Post laufen", erklärt Häberle. Neben dem Allgäuer Unternehmen bemüht sich auch noch die Streetscooter GmbH aus Aachen mit ihrem gleichnamigen E-Fahrzeug um die Gunst des gelben Logistik-Riesen. Der Preis für einen E-Caddy beläuft sich auf rund 35.000 Euro inklusive einer Fünfjahres-Garantie auf die Batterie. Schließlich ist das Gefährt auch für Pflegedienste oder Arznei-Transporter interessant.

Abt E-Caddy - maximale Reichweite 100 km (Foto: Hersteller)
Abt E-Caddy - die Ladezeit beträgt über elf Stunden (Foto: Hersteller)
Abt E-Caddy - bekannt aus dem normalen VW Caddy (Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)

Damit bleibt die Entwicklung nicht stehen. Abt schmiedet bereits Pläne für die Zukunft. Der Antriebsstrang soll modular aufgebaut sein und dem Anforderungsprofil des Fahrzeugs angepasst werden: ist die tägliche Fahrtstrecke relativ kurz, ist keine große und damit schwere Batterie nötig. Aber auch der umgekehrte Fall, ist möglich. Dann bekommt das Fahrzeug einfach zwei Batterie-Pakete. Die Entwicklungsarbeit bringt für Abt für ihr Tuning-Kerngeschäft einiges an Know-how, das sich bei den Hybridmodellen des VW-Konzerns positiv auswirkt. Auch ein Aufpeppen der Motorleistung mit einem Hybridmodul ist denkbar

(Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)

.Autor: Wolfgang Gomoll, München Stand: 19.08.2014
Fotos: Hersteller