Hereinklettert, angegurtet und los - beim Vollgasstart entgleisen einem beinahe die Gesichtszüge und die Tempo-100-Marke rast in 2,5 Sekunden vorbei, während Testfahrer Lars Kern seelenruhig auf die nächste Kurvenkombination hinsteuert. Zeit auf das kleine Digitaldisplay im Mission R zu schauen, hat der Fahrer jedoch ohnehin nicht, wenn es zur Sache geht. "Bis zum Start der Rennserie wollen wir um die 1.430 Kilogramm erreichen", blickt Projektleiter Matthias Scholz nach vorn. Dazu sollen Batterien mit einer Kapazität von bis zu 85 Kilowattstunden Einzug in den Rennwagen der Zukunft halten, was für ein Rennen von rund einer halben Stunde reichen soll. Die Motorleistung des Mission R ist dabei im Trainingstrimm aktuell doppelt so groß wie die eines vergleichbaren 911-GT3-Rennfahrzeugs. Zurück in der Boxengasse soll mit 900 Volt in einer Viertelstunde nachgeladen werden. Gelernt hat man dabei aus der dahinsiechenden Formel E.
Vitaminstoß durch die Bremse
Wenn man sich den Porsche Mission R innen wie außen betrachtet, ins Steuer greift, das aus einem Formel-1-Renner stammen könnte und die Konstruktion rund um Überrollkäfig, Schalensitz und offensichtlicher Rennsporttechnik anschaut, mag man kaum glauben, dass die Serienumsetzung des Projekts noch vier bis fünf Jahre dauern soll. Statt des normalen Renngitterkäfigs schützt den Piloten eine crashsichere Struktur aus karbonfaserverstärktem Kunststoff, die aussieht wie ein Exoskelett, das neben der maximalen Steifigkeit noch Gewicht spart. Für den Fall der Fälle gibt es eine Rettungsluke direkt über dem Fahrer. Die bleibt diesmal ohne Funktion, doch die Kletterei in den Rennwagen hinein ist anstrengend genug - heraus geht es etwas einfacher.
Zurück auf die Piste gibt es eine goldene Regel: nach jeder Spurtgerade kommt auch eine Kurve. Rekuperiert wird hier fast ausschließlich über die Vorderachse. Allerdings nicht wie in einem elektrischen Serienmodell automatisch je nach Fahrprogramm, sondern im Mission R nur dann, wenn man vor einer Kurvenkombination verzögert und stark in die Eisen steigt. Bei einer Vollbremsung wie vor der engen Spitzkehre sorgt das Bremsmanöver von Rekordzeitfahrer Lars Kern dafür, dass das Batteriepaket hinter dem Sitz mit bis zu 800 Kilowatt Rekuperation einen wahren Vitaminstoß bekommt. "Beim Rennsport geht es um Agilität und nicht ums Tempobolzen. Das Auto soll Spaß machen", unterstreicht derweil Matthias Scholz. Im späteren Kleinserienmodell oder den zu erwartenden Elektrosportlern wie Porsche 718 Cayman oder dem 718 Boxster sorgt das nicht nur für zusätzliche Kilometer Reichweite, sondern insbesondere die Möglichkeit, die gewonnene Leistung über einen Boost wieder zum Beschleunigen heraus aus der Kurve zu nutzen. Das hatte schon dem Le-Mans-Rennwagen des Porsche 919 bei seinen Siegen geholfen und die Konkurrenz pulverisiert. Das soll mit dem Mission R auch diesmal gelingen - eine Rennserie, die die Straßenfahrzeuge mit ihrer Technologie befruchtet - und umgekehrt.
- Details
- Veröffentlicht: 21. November 2021