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Lautlos campen

Mercedes EQV Camper (Foto: Volkswagen)

Der Elektrotrend der PKW und leichten Nutzfahrzeuge erreicht langsam auch die Campingszene. Doch bisher ist das Angebot noch dünn. Das würde sich jedoch in den kommenden Jahren ändern.

Der gewaltige Campingtrend hat sich durch die anhaltende Pandemie noch verstärkt und entsprechend groß ist die Nachfrage auf dem Reisemobilsektor. Bisher knatterten und rasselten Fiat Ducato, Ford Transit, Mercedes Sprinter, VW Crafter oder MAN TGE mit ebenso drehmoment- wie reichtweitenstarken Commonrail-Dieseln an Adria, Lofoten oder an den Biggesee. Doch so langsam wächst das Interesse der europäischen Mobilbürger, auch den eigenen Camper mit einem Elektromotor auszustatten und auf den Umweltzug aufzuspringen. Das kostet zwar jede Menge Reichweite und erhöht das Gewicht des rollenden Hauses deutlich, dürfte als Trend selbst aber kaum aufzuhalten sein. Während die Autohersteller selbst den Trend schon früh erkannt haben, sieht es bei den ertragsorientierten Umrüstern abgesehen von Insellösungen bisher noch sehr zögerlich aus.

Kaum Modelle auf dem Markt

Campingspezialist Knaus hat mit der seriennahen Studie des Knaus E.Power Drive ein erstes Modell vorgestellt, das bald zum Kunden rollen könnte. Der Elektroantrieb wurde zusammen mit den Motorsportexperten von HWA in den Camper integriert. Während die Motorleistung mit bis zu 180 kW / 245 PS üppig ist, sieht es mit der Reichweite sehr überschaubar aus, denn 90 Kilometer im rein elektrischen Betrieb dürften für den Campingeinsatz in den Ferien kaum Realitätsbezug haben. Wie bei Modullösungen anderer Unternehmen springt bei einem leeren Akkupaket im Unterboden der Reichweitenverlängerer / Range Extender an. Dieser soll in erster Linie die Fahrbatterie aufladen, kann aber auch direkt Strom an den Antriebsmotor liefern. Gleichzeitig versorgt der Range Extender auch den Wohnbereich des Fahrzeugs mit der nötigen Energie für den Kurztrip.


Iridium bietet auf Basis des Fiat Ducato ein elektrisches Reisemobil an, das bereits zu kaufen ist. Der elektrische Antrieb stammt dabei vom schwäbischen Umbauspezialisten Elektrofahrzeuge Stuttgart EFA-S. Die Technik wurde zuvor ähnlich bereits in 200 Lieferfahrzeuge vom Typ P 45 E des Paketdienstes UPS implatiert, die zuvor mit Dieselantrieben unterwegs waren.

Erste kleine Elektrowohnmobile

Zwei Nummern kleiner ist Mercedes mit seinem EQV unterwegs. Die Schweizer Firma Sortimo baut die Elektrovariante der V-Klasse mit einem Aufstelldach, Schlafeinheit und einem Küchenmodul für den Kofferraum zum Camper mit Stecker um. "Der Reisemobilmarkt ist für Mercedes-Benz Vans von strategischer Bedeutung", erläutert Klaus Rehkugler, Leiter Vertrieb und Marketing Mercedes Vans, "wir wollen hier weiterwachsen und eine Vorreiterrolle in puncto Innovationen und Nachhaltigkeit einnehmen. Für uns ist klar: Die Zukunft ist elektrisch, auch in der Reisemobilbranche." Auf den ersten Blick ist der Elektrocamper mit Stern kaum vom Verbrennermodell zu unterscheiden. Auf Wunsch gibt es Aufstelldach mit Dachbett sowie Schlaf- und Kücheneinheit im Heck des EQV. Die Kücheneinheit nutzt ein Schubladensystem und umfasst unter anderem eine Spülmöglichkeit, zwei gasbetriebene, herausnehmbare Kochfelder, eine Kühlbox sowie Schubladen für Besteck, Kochzubehör und Vorräte. Oberhalb der Kücheneinheit ist das Schlafsystem montiert. Dieses kann mit wenigen Handgriffen zu einer Liegefläche entfaltet werden. Wichtiger denn je ist bei den deutlich schwereren Elektrofahrzeugen der Leichtbau der Campingmodule. Auf dem Dach sorgen zwei Solarpanels mit 400 Watt Leistung, für eine Unabhängigkeit von der Ladesäule, denn diese laden sowohl Starterbatterie als auch die Zusatzakku für den Campingbetrieb.

VW ID. Buzz (Foto: Volkswagen)
Knaus Tabbert Studie (Foto: Knaus Tabbert)
Ford E-Transit (Foto: Ford)
(Foto: Hymer)
(Foto: Stellantis)
(Foto: Knaus Tabbert)

Ähnliche Fahrzeuge sind auf Basis von Peugeot e-Traveller oder dem große Citroen e-Jumper auf Markt. Mit seinem großen 70-kWh-Akkupaket sind als Kastenwagen knapp 250 Kilometer Reichweite für die 90 kW / 122 PS starke Elektroversion drin. Der kleine Bruder des Citroen e-Spacetourer wird sogar von Vermietern bereits als Reisemobil für zwei Personen angeboten. Der Münchner Anbieter Zerocampers vermietet den umgebauten Franzosen bereits ab 65 Euro pro Tag mit einer Reichweite von immerhin 330 Kilometern an.


Kein Geheimnis mehr, dass der VW ID. Buzz, der kommende Woche nunmehr seine offizielle Weltpremiere feiert, auch als Campingversion kommen wird und an die Historie der VW Camper anknüpfen soll. Bisher ausschließlich mit Verbrennertechnik zu bekommen, sind die Campingmodelle mit dem California-Label als Caddy, Transporter und Crafter in drei Größen im Programm. Eine Elektroversion des VW ID. Buzz wäre ein viertes Modell im Freizeitportfolio. Zum Ende des Jahres wird in Europa jedoch allein die Version mit normalem Radstand ihre Premiere feiern. Die Langversion, speziell für den wichtigen US-Markt interessant, startet jedoch erst Anfang 2024. Daher dürfte eine elektrische California-Variante vor 2025 kaum zu bekommen sein. Die Fertigung würde im ID-Buzz-Stammwerk in Hannover stattfinden.

(Foto: Knaus Tabbert)
(Foto: Mercedes Group AG)
(Foto: Mercedes Group AG)
(Foto: Mercedes Group AG)
(Foto: Mercedes Group AG)
(Foto: Stellantis)

Wer es etwas kleiner möchte, kann sich auf den Xbus von Electric Brands freuen. Der gerade einmal 3,96 Meter lange Elektrokleinstlaster ist auch für den Campingeinsatz zu nutzen. Neben der Normalversion gibt es einen Offroader mit deutlich mehr Bodenfreiheit - Allrad ist ohnehin Serie. Für den Antrieb sorgen bis zu 56 kW / 76 PS starke vier Radmotoren, die im Dauerbetrieb immerhin 15 kW / 20 PS leisten und so bevorzugt in der Innenstadt Waren und drei Personen transportieren sollen. Die Höchstgeschwindigkeit: 100 km/h. In der Basisversion mit acht Akkupacks und somit 10 kWh ist so eine Reichweite von mindestens 200 Kilometern möglich - erweiterbar auf bis zu 600 km. Den Xbus gibt es mit acht verschiedenen Modulen, die von zwei Personen mit wenigen Handgriffen in kurzer Zeit tauschbar sind. Der Camper bietet zu Preisen ab knapp 30.000 Euro eine 2,10 Meter lange Liegefäche, Kühlschrank / Kochplatte, Spüle / Frischwassertank und ein Solardach.

In jedem Fall dürfen sich die Campingfans in den kommenden Jahren auf ein paar interessant Elektromodelle freuen. Doch ehe ein realer Markt entsteht und insbesondere die größeren Camper und Reisemodule mit Plattformen von Fiat Ducato, Mercedes Sprinter und Ford Transit mit ernsthaften Reichweiten von mehr als 400 Kilometern anrollen, wird noch einige Zeit ins Land gehen.

 

Autor: Patrick Solberg  Stand: 28.02.2022
Fotos: Volkswagen