Angetrieben wird der Dakar-Audi von zwei E-Motoren mit jeweils theoretisch 340 PS Maximalleistung. Reglementbedingt ist die Gesamtleistung allerdings auf 392 PS limitiert. Eine Differentialsperre an jeder Achse sorgt in Verbindung mit einem virtuellen Mitteldifferential dafür, dass jedes Rad softwaregesteuert genau so viel Leistung erhält, wie gebraucht wird. Die Alternative, jedes Rad mit einem eigenen E-Motor auszustatten und sich damit die Getriebe zu sparen, wurde schon in der Anfangsphase des Projekts verworfen. „Bei einem Fahrwerksschaden, wie er nun einmal im Rallye-Raid-Sport vorkommen kann, würde auch das 800-Volt-Stromsystem in Mitleidenschaft gezogen. Das würde das Aus bedeuten“, erklärt Benedikt Brunninger, der technische Projektleiter.
Große Vorteile durch den Elektroantrieb
Versorgt werden die Motoren aus einer statten 52-kWh-Batterie. Für die über 8.000 Kilometer Gesamtdistanz reicht das natürlich bei weitem nicht aus, noch nicht einmal für die Tagesetappen. Nachladen während der Rallye ist keine Option, schon gar nicht in der Wüste. Das brachte die Ingenieure auf die Idee, den Strom unterwegs per Verbrennungsmotor selbst zu produzieren. Das wäre an sich nicht neu und wird bei Schiffen und Eisenbahnen schon seit Jahrzehnten mit niedertourigen Dieselmaschinen gemacht. Der Clou bei Audi ist, dass dazu die eingemotteten Motoren aus der DTM reaktiviert wurden. „Weder beim Gewicht noch bei der Leistung gab es dafür eine Alternative, erst recht nicht in dem engen Zeitrahmen“, stellt Brunninger klar. Geheim bleibt, wie viel Leistung die ehemals über 600 PS starken Aggregate heute haben. Sicher ist, dass sie extrem kompakt sind, hocheffizient arbeiten und für ihre Wüsteneinsätze umfassend an Turbolader, Krümmer, Abgassystem und Software modifiziert wurden. Völlig ungewöhnlich ist dagegen das Klangbild der Aggregate: Sie starten automatisch nach Bedarf, um dann mit rund 4.000 bis 6.000 Touren vor sich hinzulaufen. Ob der Fahrer gerade bremst oder beschleunigt ist egal, weshalb die Klangkulisse etwas fremdes hat – ganz so als würde der Nachbar mit seinem Bohrhammer unaufhaltsam und einförmig vor sich hin arbeiten. Ohne den aktiven Vierzylinder hat der RS Q e-tron einen Sound, der ebenfalls Gänsehaut erzeugt: Es ist Surren und Pfeifen wie eine Mischung aus Beamen und Sprung in den Hyperraum.
Wer dem Audi RS Q e-tron Greenwashing vorwirft, bei dem elektrisch gefahren, für die Elektromobilität geworben, aber letztlich doch wieder Benzin verbrannt wird, hat den zentralen Punkt nicht erfasst: Im Gelände ist der Elektroantrieb unschlagbar. Sein hohes Drehmoment steht vom ersten Sekundenbruchteil zur Verfügung. Beim Überwinden von Hindernissen oder an starken Steigungen ist das ein unschätzbarer Vorteil. In dieser Disziplin stechen auch Plug-in-Hybrid-Geländewagen ihre konventionell betriebenen Kollegen aus. „Es ist aber nicht nur dieser Sofort-Schub allein“, stellt Emil Bergkvist klar, der als Copilot uns nicht nur den Weg weist, sondern mit verständlichen Tipps klar macht, wo man noch mehr aus dem RS Q e-tron herausholen kann. „Genauso wichtig ist die extreme Reaktionsschnelligkeit des Systems, besonders beim Dünen-Fahren. Weil wir nicht wissen, was hinter dem Dünenkamm ist, müssen wir dort langsam sein. Sind wir zu schnell und es geht steil bergab, droht ein Überschlag. Andererseits brauchen wir Schub, um hochzukommen. Das lässt sich mit dem E-Antrieb viel feiner dosieren.“ Klar: In konventionellen Fahrzeugen muss erst die richtige Drehzahl gefunden werden, während Schalten in den Dünen sowieso Mist ist. „Wir sprechen nicht von zwei, drei Dünen, sondern vielleicht von 200 pro Etappe“, unterstreicht Bergkvist den Vorteil. Kein Wunder, dass selbst der Dakar-Sieger von 2022, Nasser Al-Attiyah im konventionellen Toyota Hilux, den Audi als schnellsten Wagen im Feld einstuft.
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- Veröffentlicht: 30. April 2022