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Sprung in den Hyperraum

Audi RS Q E-Tron (Foto: Audi)

Elektrisch durch die Wüste? Der Audi RS Q e-tron kann’s – nicht dank Mega-Reichweite, sondern mit Hilfe eines Onboard- Stromerzeugers. Wir durften das Geschoss der Rallye Dakar ausprobieren.

Es war ein bisschen wie die erste Mondlandung, vergleicht Sven Quandt die Entstehung des Audi RS Q e-tron für die Rallye Dakar 2022: ein Sprung ins Ungewisse. Quandt muss es wissen. Nicht nur, dass er früher selbst die härteste Rallye der Welt als Pilot mitfuhr, sondern sein Unternehmen brachte schon die Fahrzeuge mehrerer Hersteller auf Erfolgskurs für den Wüstenmarathon. Aktuell ist er Einsatz- und Entwicklungsteam für Audi. Doch der Ansatz der Ingolstädter ist völlig neu. Der Audi RS Q e-tron wird vollelektrisch angetrieben. Der benötigte Strom wird an Bord erzeugt. Damit schlugen sich die drei Fahrzeuge bei der Rallye zu Jahresbeginn mehr nur achtbar: vier Tagessiege, insgesamt 14 Podiumsergebnisse auf den Etappen und der neunte Platz im Endklassement für das Duo Mattias Ekström / Emil Bergkvist lassen sich sehen. Das Ergebnis wäre sicher noch besser ausgefallen, hätten nicht einige typische mechanische Kinderkrankheiten an den ersten Tagen für Probleme gesorgt.

Zwei Elektrotriebwerke

Wenn Audi von dem komplexesten Rennwagen in der Geschichte der Marke spricht, ist das nicht übertrieben. Der RS Q e-tron entstand quasi auf einem weißen Blatt Papier, ohne Vorbild und nur von einem relativ vagen Regelwerk begrenzt. Eher sorgten bei Startschuss im Juli 2020 die Pandemie und der enge Zeitrahmen für Restriktionen. Auch mussten intern Zweifler überzeugt werden, deren Zahl nach der ersten Simulation einer Dakar-Etappe am Computer sogar noch zunahm. Doch die Audi-Techniker, aus deren Reihen die Idee stammt, hatten letztlich den richtigen Riecher: Das Auto funktioniert und ist schnell. Ein Geniestreich ist er auf jeden Fall.


Angetrieben wird der Dakar-Audi von zwei E-Motoren mit jeweils theoretisch 340 PS Maximalleistung. Reglementbedingt ist die Gesamtleistung allerdings auf 392 PS limitiert. Eine Differentialsperre an jeder Achse sorgt in Verbindung mit einem virtuellen Mitteldifferential dafür, dass jedes Rad softwaregesteuert genau so viel Leistung erhält, wie gebraucht wird. Die Alternative, jedes Rad mit einem eigenen E-Motor auszustatten und sich damit die Getriebe zu sparen, wurde schon in der Anfangsphase des Projekts verworfen. „Bei einem Fahrwerksschaden, wie er nun einmal im Rallye-Raid-Sport vorkommen kann, würde auch das 800-Volt-Stromsystem in Mitleidenschaft gezogen. Das würde das Aus bedeuten“, erklärt Benedikt Brunninger, der technische Projektleiter.

Große Vorteile durch den Elektroantrieb

Versorgt werden die Motoren aus einer statten 52-kWh-Batterie. Für die über 8.000 Kilometer Gesamtdistanz reicht das natürlich bei weitem nicht aus, noch nicht einmal für die Tagesetappen. Nachladen während der Rallye ist keine Option, schon gar nicht in der Wüste. Das brachte die Ingenieure auf die Idee, den Strom unterwegs per Verbrennungsmotor selbst zu produzieren. Das wäre an sich nicht neu und wird bei Schiffen und Eisenbahnen schon seit Jahrzehnten mit niedertourigen Dieselmaschinen gemacht. Der Clou bei Audi ist, dass dazu die eingemotteten Motoren aus der DTM reaktiviert wurden. „Weder beim Gewicht noch bei der Leistung gab es dafür eine Alternative, erst recht nicht in dem engen Zeitrahmen“, stellt Brunninger klar. Geheim bleibt, wie viel Leistung die ehemals über 600 PS starken Aggregate heute haben. Sicher ist, dass sie extrem kompakt sind, hocheffizient arbeiten und für ihre Wüsteneinsätze umfassend an Turbolader, Krümmer, Abgassystem und Software modifiziert wurden. Völlig ungewöhnlich ist dagegen das Klangbild der Aggregate: Sie starten automatisch nach Bedarf, um dann mit rund 4.000 bis 6.000 Touren vor sich hinzulaufen. Ob der Fahrer gerade bremst oder beschleunigt ist egal, weshalb die Klangkulisse etwas fremdes hat – ganz so als würde der Nachbar mit seinem Bohrhammer unaufhaltsam und einförmig vor sich hin arbeiten. Ohne den aktiven Vierzylinder hat der RS Q e-tron einen Sound, der ebenfalls Gänsehaut erzeugt: Es ist Surren und Pfeifen wie eine Mischung aus Beamen und Sprung in den Hyperraum.

Audi RS Q E-Tron (Foto: Audi)
(Foto: Audi)
(Foto: Audi)
Audi RS Q E-Tron (Foto: Audi)
Audi RS Q E-Tron (Foto: Audi)
Audi RS Q E-Tron (Foto: Audi)

Wer dem Audi RS Q e-tron Greenwashing vorwirft, bei dem elektrisch gefahren, für die Elektromobilität geworben, aber letztlich doch wieder Benzin verbrannt wird, hat den zentralen Punkt nicht erfasst: Im Gelände ist der Elektroantrieb unschlagbar. Sein hohes Drehmoment steht vom ersten Sekundenbruchteil zur Verfügung. Beim Überwinden von Hindernissen oder an starken Steigungen ist das ein unschätzbarer Vorteil. In dieser Disziplin stechen auch Plug-in-Hybrid-Geländewagen ihre konventionell betriebenen Kollegen aus. „Es ist aber nicht nur dieser Sofort-Schub allein“, stellt Emil Bergkvist klar, der als Copilot uns nicht nur den Weg weist, sondern mit verständlichen Tipps klar macht, wo man noch mehr aus dem RS Q e-tron herausholen kann. „Genauso wichtig ist die extreme Reaktionsschnelligkeit des Systems, besonders beim Dünen-Fahren. Weil wir nicht wissen, was hinter dem Dünenkamm ist, müssen wir dort langsam sein. Sind wir zu schnell und es geht steil bergab, droht ein Überschlag. Andererseits brauchen wir Schub, um hochzukommen. Das lässt sich mit dem E-Antrieb viel feiner dosieren.“ Klar: In konventionellen Fahrzeugen muss erst die richtige Drehzahl gefunden werden, während Schalten in den Dünen sowieso Mist ist. „Wir sprechen nicht von zwei, drei Dünen, sondern vielleicht von 200 pro Etappe“, unterstreicht Bergkvist den Vorteil. Kein Wunder, dass selbst der Dakar-Sieger von 2022, Nasser Al-Attiyah im konventionellen Toyota Hilux, den Audi als schnellsten Wagen im Feld einstuft.


Schub hat der RS Q e-tron jedenfalls ohne Ende, und Trägheit ist ihm ein Fremdwort. Er tut sofort, was der Fahrer verlangt. Auf dem Sardische Schotter der Teststrecke macht er das gern mit viel Untersteuern – bis man ihm mit einer nur klassisch aussehenden Handbremse den nötigen Impuls verleiht. Aufgrund ihrer sehr eigenen Progression ist dafür ein bisschen Übung erforderlich. Doch ansonsten fährt sich der Dakar-Audi gutmütig, fast brav – sieht man einmal von den überbordenden Multifunktionsdisplays ab, die glücklicherweise der Copilot im Auge behält. Gemessen an der Revolution, die das Auto darstellt, und an dessen Komplexität steuert sich der der Audi RS Q e-tron richtig unkompliziert – auch wenn man nicht Carlos Sainz, Stéphane Peterhansel oder Mattias Ekström heißt und Audi-Werkspilot ist.

Audi RS Q E-Tron (Foto: Audi)
Audi RS Q E-Tron (Foto: Audi)
Audi RS Q E-Tron (Foto: Audi)
Audi RS Q E-Tron (Foto: Audi)
Audi RS Q E-Tron (Foto: Audi)
Audi RS Q E-Tron (Foto: Audi)

 

Autor: Wolfgang Hoerner  Stand: 01.01.1970
Fotos: Audi