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Neuzeit-Dino mit Biss

Den Ford F-150 Raptor gibt es in Deutschland nur beim Importeur zu kaufen. (Foto: Marcel Sommer)

Sportskanone trifft Pick Up - ein Neuzeit-Dino wie der Ford F-150 Raptor war schon immer etwas ganz Besonderes. Mit der neuesten Generation haben die Amerikaner aber noch einen oben drauf gesetzt.

Wenn in der ruhigen Nachbarschaft ein neues Auto gesichtet wird, das größer und brachialer wirkt als der bulligste SUV Marke Porsche, Mercedes oder BMW, dann wächst schnell die Angst vor einer allmorgendlichen Auspufffanfare der Kategorie Panzerstart. Bis vor kurzem lagen die Nachbarn damit auch gar nicht so falsch. Erst recht, wenn ein Fahrzeug einer amerikanischen Marke mit offener Ladefläche erspäht wurde. Solch ein Arbeitstier wird in den meisten Fällen von einem satt klingenden V8-Brodler befeuert, der seine Verbrennungstätigkeit lauthals aus armdicken Endrohren am Ende der Ladefläche oder sogar seitlich davon herausposaunt. Bei dem in den USA jeden Monat über 1.000 Mal verkauften neuen Ford F-150 Raptor ist genau das aber irgendwie alles anders. Und dass, obwohl unter der gewaltigen Motorhaube inklusive Luftein- und Auslässen dasselbe Triebwerk für einen knallharten Vortrieb sorgt, das auch im neuen Supersportwagen Ford GT zum Einsatz kommt. Womit auch schon eine erste Antwort auf die Frage "Wie kann ein 450 PS starker Wagen so leise im Stand und erst recht im Fahrbetrieb sein?" offengelegt wird.

Fast 2,50 Meter breit

Denn für den Antrieb des 2,5 Tonnen schweren und 2,7 Tonnen an den Haken nehmenden Ford F-150 Raptor verwandelt kein laut schreiender Achtender, sondern ein 3,5 Liter großer V6-EcoBoost-Motor maximal 98 Liter Benzin ohne Zwischenstopp in Leistung um. Leistung, die mithilfe des neuesten Ford-Zehngang-Getriebes an auf Wunsch alle vier angetriebenen Walzen geleitet wird. Doch die Fahrt in einem, in den USA ab 50.000 Euro und hierzulande per Importeur doppelt so teuren Raptor, muss nicht lautlos, komfortabel und lang sein. Sie kann, den Leistungsdaten entsprechend, angemessen brachial laut, hart und schnell sein. Vor allem in Tunnels offenbart und entfaltet sich bei durchgedrücktem Gaspedal das ganze Potential des auf 170 Kilometer pro Stunde limitierten Amis. Wenn aus den beiden rund ein Dutzend Zentimeter im Durchmesser messenden Endrohren am Ende der 1,70 Meter langen und 1,28 Meter zwischen den Radhäusern breiten Ladefläche die Abgase ankommen, wird lauthals verständlich, warum diese F-150-Version den Namen eines Dinosauriers trägt. Viel lauter dürften die nämlich auch nicht gebrüllt haben.


Damit die auch stets zur jeweiligen Tagesform des Fahrers perfekt passende Getriebe-, Gasannahme- und Lenkungskonfiguration anliegt, stehen ihm sechs Modi zur Verfügung: Normal, Sport, Nässe, Matsch, Geröll und Baja. Letztere deutet darauf hin, wofür der neue Raptor ursprünglich erdacht wurde: Mit irrem Tempo durch die Wüste ballern. Freunde des Querfahrens und Reifenverschleißens werden neben den standardmäßigen sechs Modifikationen ganz von selbst eine Siebte erstellen. Wie? Antriebsdrehschalter auf 2H stellen für den reinen Hinterradantrieb, Traktionskontrolle ausschalten, manuell auf den ersten Gang per Schaltwippen schalten, einlenken und Vollgas. Der fast 5,60 Meter lange und mit Spiegeln 2,46 Meter breite Koloss lässt dank seiner durchdrehenden und weiß qualmenden Walzen so spielend leicht gewaltige Streifen auf dem Asphalt, dass die Drift-Brüder Focus RS und Mustang GT gar nicht erst aus der Garage kommen wollen.

Vorn groß, hinten klein

Von dem durch solche Manöver knapp verpassten Normverbrauch in Höhe von 14,7 Litern Benzin auf 100 Kilometern darf natürlich auch im defensiven Umgang mit dem breiten Gaspedal nur geträumt werden. Mit einem Durchschnittsverbrauch von rund 16 Litern nach 5.000 gefahrenen Kilometern liegt dieser aber deutlich näher am Normverbrauch, als so mancher Kleinwagen. Mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass der zwar zehn Liter weniger schluckende Stadtflitzer genau dort aufhört, wo die hohe Sitzposition des Raptor-Fahrers beginnt. An Ampeln wirkt dies anfangs nicht nur auf den gefühlt einen Meter tiefer sitzenden Kleinwagenpiloten verstörend. Geradezu verzweifeln wird ein Ford F-150 Raptor-Fahrer hingegen, wenn der Stadtfloh längst in einer Winz-Parklücke verschwunden ist und er selbst zum x-ten Mal den Block umrundet. Die 360-Grad- und auch die Rückfahrkamera schaffen es einfach nicht, über die gigantischen Ausmaße hinwegzutrösten.

Dann kostet er aber nicht mehr nur 50.000 Euro, wie in den USA,... (Foto: Marcel Sommer)
sondern selten unter 100.000 Euro. (Foto: Marcel Sommer)
450 PS ist der Ford F-150 Raptor stark. (Foto: Marcel Sommer)
(Foto: Marcel Sommer)
(Foto: Marcel Sommer)
(Foto: Marcel Sommer)

Was wiederum, nach erfolgreichem Parkplatzmanöver und dem anschließenden netten Abendessen, all die verstörenden und oft auch missgünstigen Blicke der übrigen Verkehrsteilnehmer verschwinden lässt, ist das Lichterspiel, mit dem der Ford F-150 Raptor seinen Herr und Meister bei Dunkelheit begrüßt. Und als wenn dies nicht genug wäre, kann der Fahrer selbst noch die sehr lichtstarken LED-Leuchten, die seitlich und auch unterhalb der iPad-großen Seitenspiegel montiert liegen, einzeln ansteuern. Wäre der moderne Dinosaurier vor über einem halben Jahrhundert schon auf die Straßen gelassen worden, so wäre er wahrscheinlich heute noch in Filmen unter der Regie von Alfred Hitchcock in so manch Kultur-Kino als das stählerne Nebel-Monster zu sehen. Dass in dem Monster bis zu fünf Personen auf belederten Sitzen, die in der ersten Reihe sogar belüft- und beheizbar sind, Platz finden, würde dabei aber wahrscheinlich weniger eine Rolle spielen. Dabei ist jedoch anzumerken, dass die drei Hinterbänkler über recht schmale Hüften und kurze Extremitäten verfügen sollten. Denn so gewaltig, wie er von außen und auch in der ersten Reihe noch anmutet, so kompakt geht es zwischen Fahrer und Ladefläche zu.


Ist der mittlere Sitz der zweiten Sitzreihe nicht belegt, kann ohne jemandem die Frisur zu zerstören das kleine Schiebefenster hinter dessen imaginären Kopf per Cockpit-Schalter geöffnet werden. Dies hat nicht nur den Vorteil etwas besser in den Genuss des Endrohr-Orchesters zu kommen, sondern bei geöffnetem Fahrerfenster auch noch eine wahrscheinlich eher zufällig entstehende perfekte aerodynamische Begebenheit: Es sorgt dafür, dass auch bei hohen Geschwindigkeiten keinerlei Verwirbelungen im Innenraum und somit kein nerviges Bubbern oder ähnliches entstehen.

(Foto: Marcel Sommer)
(Foto: Marcel Sommer)
(Foto: Marcel Sommer)
(Foto: Marcel Sommer)
(Foto: Marcel Sommer)
(Foto: Marcel Sommer)

 

 

 

Autor: Marcel Sommer, Essen  Stand: 16.08.2017
Fotos: Marcel Sommer