Drucken

Der Berg ruft

Der Pikes Peak International Hill Climb feiert dieses Jahr seinen 100. Geburtstag. (Foto: Audi)

Am kommenden Wochenende findet im US-Bundesstaat Colorado der Pikes Peak International Hill Climb statt. Die kurvenreichen 20 Kilometer bis auf der Pikes Peak sind einzigartig, spektakulär und gefährlich. In diesem Jahr feiert das größte Bergrennen der Welt seinen 100. Geburtstag.

Am kommenden Wochenende ist es wieder soweit. Die Amerikaner vergessen Daytona, Le Mans oder den Nürburgring - es ist Hill-Climb-Zeit. Eine der ältesten und verrücktesten Motorsportveranstaltung der USA feiert am 26. Juni ihren 100. Geburtstag. Das durch Weltkriege und Waldbrände nicht in jedem Jahr durchführbare Rennen zu den Wolken wird in diesem Jahr zum 94. Mal tollkühne Rennfahrer an ihre Belastungsgrenzen treiben. Denn 1.440 Meter Höhenunterschied in knapp zehn Minuten gehen auch an top durchtrainierten Sportlern und ihren mitunter über 1.000 PS starken Einzelstücken nicht spurlos vorbei. Dass die Differenz zwischen der ersten und der aktuellen Bestzeit knapp 12 Minuten und 42 Sekunden beträgt, liegt in erster Linie aber nicht allein an den technischen Fortschritten innerhalb der letzten 100 Jahre oder gar der Qualität der Fahrer.

Aus Schotter wurde Asphalt

Der nach dem Mount Fuji in Japan am zweithäufigsten besuchte Berg der Welt ist nach dem Forschungsreisenden Zebulon Pike benannt. Anders als die zahlreichen Besucher nach ihm, hat er den 4.302 Meter hohen Berg niemals selbst bestiegen. Seit dem Jahr 1891 ist dies zu Fuß aber zum Glück auch gar nicht mehr notwendig, fährt seitdem die Manitou and Pikes Peak Railway, die höchste Zahnradbahn der Welt, bis zum sogenannten Summit, dem Gipfel. Seit jeher führt aber auch eine schmale, auf mal 25, mal 30 Meilen, sprich 40 und 48 Kilometer pro Stunde tempobeschränkte Straße dort hoch. Aufgrund der durchschnittlich sieben Prozent Steigung dürfen für die Fahrt gut 45 Minuten veranschlagt werden können. Doch Tempolimits scheren die tollkühlen Piloten des Pikes Peak International Hill Climb wenig. Am letzten Sonntag im Juni heulen nahe des auf 2.862 Meter hoch gelegenen Milemarker Sieben Motoren mit teilweise über 1.000 PS auf. Denn wo eine Straße einen Berg hochführt, müssen ja irgendwann zwangsläufig ein paar positiv Verrückte mit der Jagd auf eine Bestzeit beginnen.


Genauer gesagt pilotieren sie Rennmaschinen in Form von Motorrädern, Autos, Lkw und Quads auf einer Strecke von 19.988 Metern mit bis zu 250 Kilometern pro Stunde durch 156 Kurven. 18,78 Kilometer davon geht es bis zu maximal 10,5 Prozent bergauf, 1,2 Kilometer weisen ein Gefälle von maximal zehn Prozent auf. Während des Rennens verlieren die Motoren auf Grund der immer dünner werdenden Luft bis zu 30 Prozent an Leistung. Und auch die Rennfahrer selbst haben zu kämpfen. Reflexe, Muskelkraft und Psyche werden von Meter zu Meter schwächer. An diesen Daten hat sich in den vergangenen 100 Jahren, seit der von Spencer Penrose gegründete Pikes Peak International Hill Climb gegründet wurde, kaum etwas geändert. Was sich hingegen geändert hat, ist die Beschaffenheit der Straße. Da die Stadt Colorado Springs es nicht leugnen konnte, dass der Kies der Straße in die Bäche, Feuchtgebiete und Stauseen durch natürliche und auch unnatürliche Weise, kurz Wetter und Autos, gelangt und somit wesentlich beeinflusst, musste eine Lösung her - und die hieß: Pflastern. Im Jahr 2001 wurde mit den Arbeiten begonnen, im Jahr 2010 waren bereits 57 Prozent fertiggestellt und ein paar Wochen nach dem 89. PPIHC-Rennen 2011 waren die Arbeiten abgeschlossen. "Klar hat das Rennen etwas von seinem Reiz verloren", sagt Tim Bleeker, der aus Irvine bei Los Angeles, seit Jahren zu dem Bergrennen kommt. "Als die Strecke noch komplett unbefestigt war, fühlte sich das alles wilder an. Viel wilder."

Ein Monster fährt auf Sieg

Der in Deutschland berühmteste Sieger zu Schotter-Zeiten war 1987 der Rallye-Weltmeister Walter Röhrl. In seinem Fünfzylinder-Audi Quattro S1 schoss er mit bis zu 190 Kilometern pro Stunde in 10:47.850 Minuten den Berg hinauf. Der 13-fache PPIHC-Gewinner Bobby Unser wusste schon vor seinem Start, "dass Walter sich sehr schnell an die Bedingungen anpassen kann, die hier herrschen." Gleichzeitig gab er schon damals zu bedenken, "dass sich die amerikanischen Hersteller schämen sollten, da die Europäer hier so gut sind und uns in Grund und Boden fahren." Bobby ist aber nicht nur der Rekordgewinner, sondern zugleich Mitglied der Royal Family des Pikes Peak, der Unser-Familie. Neben ihm fuhren schon Louis jr., Al, Robby und Jerry siegreich durchs Ziel. Und auch die Schwester von Bobby jr. und Robby, Jeri Unser fuhr 2003 im Rahmen der rein elektrisch angetriebenen Fahrzeuge den Klassensieg nach Hause. Die einzige Frau, die dafür aber gleich zweimal in ihrem Audi Sport Quattro den Sieg über alle Klassen einfahren konnte, ist bis heute die Französin Michele Mouton.

Walter Röhrl gewann hier im Jahr 1987. (Foto: Audi)
Mit seinem Fünfzylinder-Audi Quattro S1 schoss er in 10:47.850 Minuten den Berg hinauf. (Foto: Audi)
Dieses Jahr wird zum 94. Mal gefahren. (Foto: Randels Media Group)
(Foto: Randels Media Group)
(Foto: Peugeot)
(Foto: Randels Media Group)

Doch nicht nur die Europäer, sondern auch die Asiaten nehmen jedes Jahr Kurs auf die Bestzeit. An erster Stelle ist hier Nobuhiro Tajima, Spitzname Monster, zu nennen. Im Walter Röhrl-Jahr 1987 zum ersten Mal dabei, ist er ständiger Teilnehmer der Veranstaltung mit mittlerweile neun Gesamtsiegen. "2016 ist der 100. Geburtstag, ich muss dran teilnehmen und will gewinnen", freut sich der 66 Jahre alte Japaner. Vielen playstationbegeisterten Mittdreißigern wird zudem beim Namen des von ihm im Jahr 1996 gefahrenen Suzuki Escudo Pikes Peak ein Licht aufgehen. Denn der bis zu 336 Kilometer pro Stunde schnelle und nur 800 Kilogramm leichte Allradler, der aus seinem 2,5 Liter großen V6 ganze 988 PS holt, sorgt seit der zweiten Ausgabe des Spiels Gran Turismo für leuchtende Augen und fallende Bestzeiten.


Im realen Leben hat ein Franzose im Jahr 2013 die absolute Bestzeit ins Bergmassiv des Pikes Peak gebrannt. Unter den Augen von vielen Tausend Zuschauern, die sich seit drei Uhr morgens mit ihren 60-Euro-Tickets den besten Blick auf die ungesicherte Strecke machen, brauchte Sebastien Loeb nur 8:13.878 Minuten. An Bord seines 875 PS starken Peugeot 208 T16 PP 2013 unterbot er die bis dato gültige Rekordzeit des Neuseeländers Rhys Millen um eine Minute, 32 Sekunden und 286 Tausendstel. "Klar war ich nervös, aber man darf sich nicht verrückt machen", erklärt Sebastian Loeb später im Ziel, "wir waren top vorbereitet und das Training lief gut. Was sollte also schiefgehen?" Dass etwas schief gehen kann, zeigen nicht nur zahllose Videos im Internet, sondern weiß auch Organisator Tom Osborne: "In den bisherigen Rennen sind sechs Fahrer tödlich verunglückt." Wenn es dabeibleiben sollte, würde einem rauschenden Fest am kommen Sonntag nichts im Wege stehen.

(Foto: Randels Media Group)
(Foto: Suzuki)
(Foto: Peugeot)
(Foto: Randels Media Group)
(Foto: Randels Media Group)
(Foto: Randels Media Group)

 

 

 

Autor: Marcel Sommer  Stand: 14.04.2016
Fotos: Audi