Daimlers Software-Hirn
Das Mercedes Entwicklungszentrum im indischen Bangalore hat sich zu einem tragenden Pfeiler im Daimler-Konzerns entwickelt. Vor allem bei der Software übernehmen die Ingenieure zunehmend die Vorreiterrolle. Das liegt auch an den chaotischen Verkehrsverhältnissen.
In Arthur C. Clarkes Bestseller-Roman "Odyssee 2010 - Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen", spielt der indische Wissenschaftler Dr. Chandra eine Hauptrolle. Sechs Jahre später ist es auch bei Mercedes so weit, das indische Entwicklungszentrum in Bangalore übernimmt mehr und mehr Verantwortung bei der Entwicklung der Fahrzeuge mit dem Stern. "Wir konzentrieren uns auf die die digitale Welt", sagt Manu Saale, der Chef des indischen Außenpostens. Mercedes-Entwicklungschef Dr. Thomas Weber konkretisiert: "In jedem neuen Mercedes steckt viel Indien." Als die Schwaben vor 20 Jahren den Entwicklungsstandort im südlichen Zentralindien eröffneten, konnte sich niemand vorstellen, welche tragende Bedeutung der Komplex in Bangalore einmal haben wird. Aus zehn Beschäftigten sind mittlerweile knapp viertausend geworden. "Wir haben dieses Jahr tausend neue Leute eingestellt, 2017 werden es genauso viele sein", freut sich Manu Saale, der als Einheimischer seinen Laden im Griff hat. Bisher waren die Statthalter Deutsche, vor zwei Jahren ging das Zepter an Saale, der auch schon bei Bosch beschäftigt war. "Wir haben diesen Schritt ganz bewusst vollzogen, um den Standort Bangalore zu stärken", erklärt Thomas Weber.
Kostenvorteil
"Aber deswegen machen wir das Entwicklungszentrum in Sindelfingen nicht zu", beeilt sich Thomas Merker, Direktor für Karosserie und Sicherheit bei der Mercedes-Benz Cars Entwicklung, zu ergänzen. Doch der Stolz platzt den Mercedes-Verantwortlichen fast aus jedem Knopfloch. Bei der Entwicklung eines Fahrzeugs ist die Tatkraft der indischen Ingenieure nicht hoch genug einzuschätzen. Zu Manu Saales Aufgaben gehört der Kampf um Talente. Pro Jahr verlassen rund eine Million Absolventen die Universitäten, jedes Unternehmen will sich die Besten sichern. Keine einfache Aufgabe. In Bangalore und Umgebung sitzt harte internationale Konkurrenz - auch Google und Amazon. Trotzdem ist die Mercedes Expansion in der indischen Sechs Millionen-Metropole, die auch das Silicon Valley Indiens genannt wird, nicht mehr zu stoppen: 2012 bezog man das erste zentrale Gebäude, das eine Fläche von 25.000 Quadratmetern hat. Zwei Jahre später kam ein ebenso großes dazu, dessen Kapazität mittlerweile bereits erschöpft ist und im April dieses Jahres legte man ein weiteres mit 12.000 Quadratmetern nach.
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- Geschrieben von wolfgang-gomoll
- Veröffentlicht: 11. November 2016