Entsprechend ist die Stimmung bei den Ortsdurchfahrten, die bisweilen ähnlich spektakulär sind, wie die automobilen Klassiker selbst. Brescia, Rom, Parma, Cervia Milano Marittima oder die grandiose Fahrt auf die Piazza del Campo von Siena - umringt von tausenden begeisterter und zumindest interessierter Zuschauer. So etwas gibt es eben nur in Italien. Und auch wenn die Milla Miglia in aller Welt mittlerweile seine Nachahmer gefunden hat und in Südamerika, den USA oder Asien ebenfalls ausgefahren wird - nichts ist so wie die echte Mille und die nennt sich ganz zu Recht "the most beautiful race in the world" oder "eine kleine Reise um die ganz große Welt".
Natürlich ist die Mille Miglia mit jedem Jahr mehr auch eine der imposantesten Marketingveranstaltungen und die Zahl der großen und kleinen Werbepartner ist kaum kleiner als die der mittlerweile knapp 430 Teilnehmer. Doch wer sieht, wie auf der Mille Miglia gefahren wird, kann sich nur schwer vorstellen, dass es sich um eine reine Gleichmäßigkeitsprüfung mit 112 einzelnen Übungen handelt. Auch die Strafen höher wurden und die Leine der Ordnungsbehörden nicht mehr so lang, wie noch vor wenigen Jahren gehalten wird: das Erlebnis der Mille Miglia ist für einen Auto- und Oldtimerfan einzigartig. Im Gegenverkehr einem Polizeimotorrad folgend mit Tempo 100 durch geschlossene Ortschaften, hinaufklettern ins altertümliche San Marino oder auf langen Landstraßenpassagen quer durch die Toskana ehe man in Siena Kinderhände abklatscht - das alles gibt es eben nur einmal im Jahr: auf der Mille Miglia in einem zumindest partiell beinahe verkehrsgesetzlosen Italien, wo sich Jaguar XK 120 Lightweight mit Ferrari 275 Sport, Fiat 1100 B, Stanguellini 11 Sport Bialbero und Mercedes 300 SL Flügeltürern bekämpfen. Dort, wo sich historische Vorkriegsmodelle wie O.M. 665 S, Lancia Lambda VI Serie und Bugattis Type 35 mühsam die Hügelketten emporhangeln, während Aston Martin DB2 Vantage, Alfa Romeo 1900 C oder Porsche 356 problemlos mit Vollgas vorbeiziehen. Bei so viel Historie, Leidenschaft und Marketing sind die Prominenten nicht fern. So greift ein Walter Röhrl ebenso auf der Mille Miglia ins Steuer wie Guy Berryman, Derek Hill, Jochen Mass oder Gran-Turismo Spieleerfinder Kazunori Yanauchi. Dass sie alle mit dem Ausgang des Rennens nichts zu tun hatten, wird keinen ernsthaft stören. Letztlich siegte das argentinische Team Juan Tonconogy / Barbara Ruffini mit der Startnummer 85 mit einem grandiosen Alfa Romeo 6C 1500 GS "Testa Fissa" aus dem Jahre 1933. Die Fahrerpaarung Tonconogy-Ruffini konnte nach 2013 und 2015 bereits zum fünften Mal das "schönste Autorennen der Welt" für sich entscheiden. Auf den Plätzen zwei und drei Giovanni Moceri / Daniele Bonetti (Alfa Romeo 65 1500 SS) und Vorjahressieger Andrea Vesco / Andrea Guerini, ebenfalls auf einem Alfa Romeo vom Typ 6C 1750 Zagato.
Fotos: Mille Miglia
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- Veröffentlicht: 20. Mai 2018