Anfang der 90er Jahre wurde die elegante Baureihe W 126 von einem wahren Koloss abgelöst. Mächtige Dimensionen und ein kantig-protziges Erscheinungsbild passten 1992 beim W 140 in die Zeit - sorgten jedoch zumindest im Heimatland auch für negative Schlagzeilen. Bis die elektronische Einparkhilfe das Zeug zur Serienreife hatte, halfen am Heck ausfahrbare Peilstäbe, das kantige Schlachtschiff in Parklücken zu pressen. Auf Deutschlands Möchtegern-Promi-Insel schlugen die Wellen hoch, als die neue S-Klasse nicht per Bahntransport über den Hindenburgdamm gebracht werden konnte, denn die Autowaggons waren schlicht zu schmal. Doch allen Unkenrufen zum Trotz setzte die S-Klasse der 90er Jahre völlig neue Maßstäbe. Platzangebot, Verarbeitung, Ausstattung und Pomp kannten keine Grenzen. Hightech-Extras wie Xenonlicht, Navigationssystem oder beschlagfreie Doppelglasscheiben hielten Einzug und die Staatsmänner verliebten sich wieder einmal in die Topmodelle 500 SEL und 600 SEL. Endlich im Programm: der imageträchtige Zwölfzylinder, mit dem BMW im 750 iL den Vorgänger W 126 über Nacht düpiert hatte. Seine 408 PS waren konkurrenzlos.
"Der W 140 war seinerzeit das Sinnbild für größtmöglichen Komfort", erinnert sich Frank Knothe, ehemals für die Entwicklung verantwortlich, "alle Ingenieure bei Daimler haben sich damals wirklich in die Eisen gelegt, um dem Auto das Maximum am Fahrkomfort zu bringen. Dazu gehörten zum Beispiel auch Doppelscheiben oder eine Fahrschemel-Achse. Alles war vom Besten und vom Feinsten." Erstmals war der als S 300 TD bzw. S 350 TD auch in Europa mit Dieselmotor zu ordern. Die Schwäche der Motoren führte jedoch nicht in die Herzen der kaufkräftigen Kundschaft. Angesichts eines Leergewichts von rund zwei Tonnen machten 150 bis 170 PS die Selbstzünder-S-Klasse zur Premium-Wanderdüne für Sparfüchse.
Nach dem heiß diskutierten W 140 wurde es unspektakulär. Der 1998 vorgestellte Nachfolger W 220 wurde in den verschiedensten Varianten zwischen S 320 CDI und S 600 L angeboten. "Der 220er hat mit seiner Ausstattung nicht nur beim Thema Komfort, sondern besonders auch bei der Sicherheit Maßstäbe gesetzt", erinnert sich S-Klasse-Entwickler Karl-Heinz Baumann, "zum Beispiel mit dem reversiblen Gurtstraffer." So imposant der W 140 auch war, stimmte der W 220 optisch leisere Töne an. Aufgrund der Kritik am allzu vehementen Vorgänger orientierte man sich etwas zu stark am schmächtigen C-Klasse-Modell und auch bei der Qualität haperte es etwas. Die Gegenwart präsentiert sich mit der neuen S-Klasse wieder standesgemäßer. Die jüngeren Generationen vom Typ W 221 (ab 2005) und W 222 (aktuelles Modell) vereinen nach wie vor Eleganz, Luxus und Hightech in sich. Dabei ist die S-Klasse heute das, wie sie seit über 30 Jahren ist: das absolute Aushängeschild der begehrtesten Fahrzeugklasse der Welt.
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- Veröffentlicht: 30. Oktober 2017