Das änderte nichts an der Tatsache, dass die stolzen Südeuropäer auch diese Veranstaltung mit einer Grandezza zelebrieren, von der sich einige eine Scheibe abschneiden können. Die Carabinieri holten ihre Gala-Uniform aus dem Schrank. Goldglitzernder Ornat und Orden, wohin das Auge blickte. Selbst der Parkplatzwächter sah so würdevoll aus, dass einige pflichtschuldig den Ausweis zückten und um Erlaubnis baten, das Paddock, also dem Platz, auf dem die Fahrzeuge geparkt wurden, zu betreten. Engagierte Polizisten stoppten einfach den Verkehr, wenn man aus einer Gasse kam, lächelten dabei freundlich, als man den Beamten das obligatorische "Grazie" entgegenschmetterten. Die wartenden Autofahrer nahmen die Verzögerung mit einer entspannten Gelassenheit hin. Man mag sich gar nicht ausmalen, was da in einer teutonischen Metropole los wäre, denn vermutlich würde das gesundheitssandalen-besohlte Gutmenschentum schnell über Bord geworfen werden. Zeit ist schließlich Geld.
Von Kreisverkehr zu Kreisverkehr
Die Elektro-Rallye gestaltete sich eher unspektakulär. Nach dem kurzen eindrucksvollen Prolog am Freitagabend durch das nächtliche Brescia ging es am Samstag und Sonntag durch die Lombardei. Allerdings erwies sich die Streckenführung als eine echte Nervenprobe: Wer einmal an einem Samstag durch italienische Städte gefahren ist, kann sich ein Bild von dem Vergnügen dieser Sportveranstaltung machen. Mit den Einheimischen staute man sich von Kreisverkehr zu Kreisverkehr, über unzählige Bremsschweller und durch Rotphasen der unzähligen Ampeln. Die Blechlawine hatte nichts mit de Vergnügen zu tun, das das Elektromobilfahren durchaus bereiten kann. Autobahnen und schnellere Landstraßen wurden von den Veranstaltern gemieden wie der Teufel das Weihwasser. Das zeigt das Dilemma, in dem die Elektromobilität teilweise noch steckt: ungenügende Reichweite mancher Fahrzeuge. Kudos für den Fahrer des Smart Electric Drive, der sich auf die knapp 170 Kilometer lange Strecke am Samstag machte.
Unterbrochen wurde das Gezuckel nur durch Wertungsprüfungen, bei denen eine Distanz möglichst exakt in einer vorgeben Zeit bewältigt werden mussten. Die Sportwächter und Ordner waren immer so freundlich und herzlich, dass man mit einem Lächeln davonfuhr, selbst, wenn man eine Aufgabe komplett vergeigte. Ansonsten war das Ganze eine Veranstaltung, die im Vergleich zur echten Mille Miglia fast schon unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand. Wo sonst die Menschentrauben sich an den Straßen drängen, um Klassikern, wie einem Bentley Blower oder einem Mercedes SL zuzujubeln, blieben die Bürgersteige leer. Auf einem Marktplatz in Bergamo verirrten sich rund 30 Fans, die jeden Teilnehmer so frenetisch bejubelten, dass manche aussteigen wollten, um Autogramme zu geben. Dass dabei den verdutzt dreinblickenden Bambini mit ernster Miene erklärt wurde, um welche Fahrzeuge es sich handelte, macht die Sache nur schöner.
Fotos: press-inform / VW
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- Geschrieben von wolfgang-gomoll
- Veröffentlicht: 29. September 2019