Weinende Porsche-Piloten, neidische Politikbozen und im Hintergrund singt Schlagerbarde Jürgen Markus. Der elitäre Mercedes 450 SEL 6.9 ist ein fester Bestandteil der Automobilgeschichte. Wer er deutsche Luxuslimousinen lenkt, träumt von der spektakulärsten S-Klasse, die es je gab.
Supersportler mit vier Türen
Weinende Porsche-Piloten, neidische Politikbozen und im Hintergrund singt Schlagerbarde Jürgen Markus. Der elitäre Mercedes 450 SEL 6.9 ist ein fester Bestandteil der Automobilgeschichte. Wer er deutsche Luxuslimousinen lenkt, träumt von der spektakulärsten S-Klasse, die es je gab.
Eigentlich hätte der 450 SEL 6.9 den Namen 690 SEL tragen müssen, denn mit einer normalen S-Klasse hatte das im Mai 1975 vorgestellte Topmodell aus Stuttgarter Produktion nicht viel mehr als die Karosserie gemein. Der 6.9er als legitimer Nachfolger des alten Pullman-Ablegers 300 SEL 6.3 war auf der Autobahn kaum zu schlagen. Eine nicht zu überholende Orgie aus Luxus, Eleganz und Chrom zeigte der gesamten Automobillandschaft ihre Grenzen auf. Die Sonderausstattung SA 261 hatte dabei für viele Kunden ihren besonderen Reiz. Wer hier bei der Bestellung sein Kreuzchen setzte, verzichtete auf die Hubraumangabe auf dem Heckdeckel und genoss im Geheimen. Sein Sexappeal hat der Power-116er bis heute nicht verloren. Jede S-Klasse gilt als perfekte Luxuslimousine ihrer Zeit - doch vor mehr als 30 Jahren hatte die Königsklasse mit dem 6.9 ihren Kaiser gekürt. Eleganter, spektakulärer und schneller als mit einem 450 SEL 6.9 konnte man mit mehr als zwei Personen nicht unterwegs sein. Dass die Luxusversion mit Sportwagen-Genen erst Mitte 1975 auf den Markt kam, hatte seinen Grund. Aufgrund der Ölkrise Anfang der 70er Jahre hatte sich der Start des 116er Topmodells mit dem Bärendurst immer wieder herausgezögert.
Porsche-Jäger
Da steht er, in güldenem Metallic, mit unanständig viel Chrom und den grandiosen Fuchsfelgen. Scheint so, als sei er gerade erst vom Band gelaufen. Die Fahrertür öffnet satt und eindrucksvoll, es riecht nach Geschichte - so fühlte sich im Zeitalter von Gunther Sachs, Helmut Schmidt und der terrorisierenden RAF also der von vielen herbeigeträumte Luxus an. Statt des erwarteten Echtleders sind Sitze und Türtafeln diesmal mit dem damaligen Trendstoff Flockvelours bezogen. Die dunkelbraune Farbe lässt einen mit heutigem Schönheitsgefühl erschaudern - doch so und nicht anders reisten viele der oberen 1.000 in den verrückten 70er Jahren. Man stand zu Schlaghosen, Klebeblumen und engen Shirts, die beileibe nicht jeder tragen konnte. Jürgen Marcus, Roy Black, und Jürgen Drews beherrschten die deutschen Hitparaden, die damals noch nicht Charts hießen und der satte Sound des Becker-Radios durchströmt den edlen Innenraum noch heute mit einem Klang, der einen keinen Gedanken an Bang & Olufsen oder Harman Kardon verschwenden lässt.
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- Veröffentlicht: 22. März 2020