Ab 2021 gibt es dann kein Zurück und jedes Auto wird in die Rechnung einbezogen. Nach Angaben von Jato Dynamics würden die meisten Hersteller dieses Ziel um 20 bis 25 Gramm pro Auto verfehlen, wenn man das aktuelle Modellportfolio zugrunde legt. Damit stehen Strafzahlungen in Milliardenhöhe im Raume - verschiedene Berechnungen gehen für die europäische Autoindustrie von 20 bis 40 Milliarden Euro aus. Das hätte selbst bei normalem Geschäftsverlauf rund die die Hälfte des Nettogewinns gekostet. Allein bei Volkswagen, dem aktuell größten Autohersteller der Welt, wären das mehrere Milliarden Euro. Die aktuell geltenden Schlupflöcher in der EU-Verordnung, die den Autobauern die Möglichkeit geben, die hohen Summen zu reduzieren, bringen durch die Corona-Krise und den realen Verkaufsstopp nicht die einkalkulierte Betrachtung. In diesem Jahr werden Elektroautos und Plug-in-Hybride doppelt auf die CO2-Bilanz angerechnet. 2021 beträgt der Faktor 1.,7 und 2022 liegt er immerhin noch bei 1,33. Außerdem werden verbrauchsreduzierende Maßnahmen in die CO2-Bilanz miteinbezogen.
Pandemie belastet Autoindustrie milliardenschwer
Die Pandemie hat die Autoproduktion gestoppt und somit auch die von Elektroautos und Plug-In-Hybriden, die in diesem Jahr durch Rabatte und Sonderaktionen in den Markt gedrückt worden wären, um die CO2-Vorgaben schaffen zu können. Da diese Fahrzeuge ebenso wie die Verbrenner dem Produktionsstopp unterliegen und es nicht absehbar ist, wann in größeren Volumina überhaupt wieder Fahrzeuge verkauft werden können, erscheint es unwahrscheinlicher denn je, dass viele Autohersteller die Vorschriften einhalten können. Einmal mehr sind davon besonders die deutschen Premiumhersteller betroffen, die mit Marken wie Audi, BMW oder Mercedes speziell leistungsstarke und große Fahrzeuge verkaufen. Elektroautos sind in der Anschaffung nennenswert teurer als ähnlich starke Verbrennermodelle. Bei einem vergleichbaren Opel Corsa zu einem elektrischen Corsa-e liegt der Unterschied bei rund 10.000 Euro und auch ein VW ID.3 ist mit rund 35.000 Euro Kaufpreis nennenswert teurer als ein vergleichbarer VW Golf VIII. Angesichts dessen, dass viele Menschen aktuell nur Kurzarbeitergeld bekommen, viele Selbstständige und Betreiber von Gaststätten oder Geschäften während der Ausgangssperre wenig oder kein Geld verdienen, werden anstehende größere Anschaffungen wie ein Auto erst einmal deutlich nach hinten verschoben. Politiker wie der polnische Minister Janusz Kowalski fordern von der EU, sich auf die Bekämpfung des Corona Virus zu konzentrieren und den ausgerufenen "Green Deal" hinten anzustellen. In Deutschland fordern einige Politiker, Sonderkosten auf Flugbenzin, die Durchsetzung der CO2-Grenzwerte oder die CO2-Preise auf Kraftstoff und Heizöl ebenfalls auszusetzen. "Jeder Ökonom weiß, dass Steuererhöhungen in einer Wirtschaftskrise grundfalsch sind", so FDP-Wirtschaftspolitiker Gerald Ullrich gegenüber dem Nachrichtensender N-TV, "die Einführung des CO2-Preises von 25 Euro pro Tonne ab 2021, der bis 2025 auf 55 Euro anwachsen soll, sei angesichts der Corona-Wirtschaftskrise unverantwortlich." Eine Aufschiebung soll dazu führen, Arbeitsplätze zu sichern. Der Schadstoffausstoß werde durch die Corona-Wirtschaftskrise ohnehin sinken, da täglich tausende weniger Autos fahren, Flüge gehen und das produzierende Gewerbe fährt seine Fertigungen und somit auch den Schadstoffausstoß herunter. Nach aktuellen Berechnungen könnte das zwischen 50 und 120 Millionen Tonnen weniger CO2 bedeuten. So ist sogar denkbar, dass ein Land wie Deutschland in diesem Jahr tatsächlich die ehemals angestrebten 40 Prozent weniger CO2 ausstößt wie im Bezugsjahr 1990.
Der Ausbruch der Corona Pandemie hat die Karten für die Gesellschaft ebenso völlig neu gemischt wie für die Industrie. Wenn es um die Gesamtwirtschaft und die Existenz der Konzerne im Einzelnen geht, können die strengen Verbrauchsvorschriften nur hintenanstehen - zumindest erst einmal. Wenn die einzelnen Länder ihre Bevölkerung mit milliardenschweren Hilfsprogrammen unterstützen, dürfte die Europäische Union kaum an der Einhaltung der bestehenden Vorschriften festhalten. Schließlich steht die Zukunft einer ganzen Industrie oder zumindest deren Kernkonzerne auf dem Spiel. Doch wenn es nach der Corona Krise wieder bergauf geht, darf das Thema CO2 nicht hintenanstehen. Insofern bleibt abzuwarten, ob die EU und der Bund reagieren und Strafzahlungen, verschärfte Grenzwerte und entsprechende Richtlinien zumindest einmal aussetzen, um keine Industrie zu gefährden. Ändern an den geltenden Vorschriften kann und darf sich langfristig jedoch nichts. Aber so gäbe es zum Beispiel für die Autohersteller etwas mehr Luft zum Atmen.
Fotos: BMWi