Angesichts der geringen Fahrleistung und es Pflegezustandes überrascht es nicht, dass sich der knapp 1,6 Tonnen schwere 280 TE in strahlendem weiß kaum anders fährt als nach der Auslieferung im rheinischen Bergheim nahe Köln vor 41 Jahren. Der M110er-Motor läuft bassig im Hintergrund und der Anzug ist auch nach über vier Jahrzehnten noch immer eine Schau. Man muss sich an die unpräzise Kugelumlauflenkung nicht lange gewöhnen. Sie ist komfortabler denn je und so sind die Abstriche an jegliche Art der Präzision keine Überraschung, sondern eher ein Ausdruck des damaligen Gefühls, mit dem Fahrzeug zu reisen. Das Platzangebot im Innern ist dabei mehr als üppig, auch wenn im Fond sogar die lebensrettenden Kopfstützen fehlen. Immerhin boten die beiden Modelle W123 / S123 ab Werk eine damals vorbildliche Sicherheitsausstattung. So gehört zur Serienausstattung der ersten Modellreihe eine Sicherheitssäule mit verformbarem Wellrohr, versenkbare Gurtführungen mit an den Sitzen angebrachten Gurtschlössern, ein Kraftstofftank und eine Batterie außerhalb des Verformungsbereiches der Karosserie-Knautschzonen sowie eine selbständig abschaltende Heckscheibenheizung und Türgriffe mit Massenausgleich, die bei starker Querbeschleunigung das selbsttätige Öffnen verhindern. Ab 1980 wurden - gerade wegen des US-Marktes - sogar ABS und Airbags für die 123er angeboten.
Als Fahrer genießt man den Komfort des sanft schunkelnden Fahrwerks und den allemal dynamischen Anspruch des 2,8 Liter Sechszylinder-Einspritzers, der 136 kW / 185 PS leistete und dies bis heute vorbildlich tut. Auf der Autobahn, dort wo Modelle wie 200 T oder 240 TD beim Anstieg nahezu den Hungertod starben, hat der 280er auch Dank seiner 240 Nm maximalem Drehmoment und Bosch K-Jetronic keinerlei Mühe mit neuen Modellen Schritt zu halten. Der Verbrauch von rund 12 Litern Super auf 100 Kilometern lässt sich jedoch nur dann realisieren, wenn man auf Beschleunigungen nahezu verzichtet und den Kombi seinem ihm eingehauchten Komfortanspruch nach rollen lässt. Natürlich würde eine Stufenautomatik besser passen als die Viergangschaltung; aber im flotten Galopp lernt man die schnelle Gangwahl per Hand schnell zu schätzen; schließlich hatte der Wandlerautomat einen guten Teil der Motorleistung in seinem Innern verschlungen und die Tempo 200 Maximaltempo wären ebenso ein unerfüllter Traum wie der Spurt auf Tempo 100 in kaum mehr als zehn Sekunden.
Auf dem Klassikmarkt einen guten Mercedes S123 zu finden ist schon aufgrund der überschaubaren Produktionszahl von 199.517 Fahrzeugen schwierig. Von der Limousine wurden mehr als 2,3 Millionen Auto produziert. Besonders begehrt sind die Versionen 280 TE und 300 TDT mit zumeist besserer Ausstattung. Ein gutes Modell mit unter 150.000 Kilometern kostet schnell über 30.000 Euro. Aber wer den familiären Lifestyle der späten 70er Jahre genießen möchte, hat es exzellentes Alltagsauto mit viel Platz und eine gute Ersatzteilversorgung.
Fotos: press-inform
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- Veröffentlicht: 12. Juni 2020