Bewegt wurde sie von den Reichsten der Reichen, den Schönsten der Schönen und der absoluten Elite. Wirtschaftsbosse ließen sich ebenso wie Schauspieler und Könige nur allzu gern in einem 6.9er durch die Gegend chauffieren oder griffen selbst ins Steuer. Herbert von Karajan, Udo Jürgens, Hanns-Martin Schleyer, Scheichs, Könige - die Liste ist endlos und elitärer denn je. Nur bei den Politikern kam das unangefochtene Topmodell nicht in die Einfahrt, denn die gefährlichen Zeiten bedingten gepanzerte Versionen und das waren der kleine 350er und das eigentliche Topmodell 450 SEL. Doch die Vorstände in der Bankenmetropole Frankfurt waren zwischen Innenstadt und Bad Homburg, dem Odenwald oder Richtung Königstein nur allzu gerne in einem Mercedes 450 SEL 6.9 unterwegs. Erst als es Ende der 70er Jahre für einige gefährlicher wurde, stieg so mancher auf eine 450er-Panzerversion um.
Bündelfunk, Autotelefon und Standheizung
Der Luxus war zwar nicht auf dem Niveau amerikanischer Konkurrenten, doch neben dem gewaltigen Achtzylinder mit 6,9 Litern Hubraum, einer hydropneumatischen Federung und Wandlerautomat nebst Trockensumpf bot der edelste aller W 116er eine Ausstattung, die Fahrer eines Ford Granada oder eines Renault 30 nur erahnen konnten. Wer sich in den üppigen Ausstattungsliste für das Extra mit der Nummer SA 261 entschied, ärgerte Autobahngefährten besonders, denn dann wurde dem Topmodell seit Motorisierungssignet am Heck entfernt und kaum jemand hatte einen Schimmer, welches gewaltige Kraftpaket unter der Motorhaube werkelte. Aus dem Stand ging es in kaum mehr als sieben Sekunden auf Tempo 100 und auch bei den restlichen Leistungsdaten konnten allenfalls noch ein paar damalige Supersportler mithalten - die aber allesamt keine bis zu fünf Personen gleichzeitig befördern konnten.
Noch wohler als in Frankfurt oder seiner Geburtsregion Stuttgart / Sindelfingen fühlt sich der Mercedes 450 SEL 6.9 am Rhein. Unzählige Male hat er den ebenso steilen wie kurvenreichen Anstieg zum Petersberg erklommen, sich in Kurven gelegt, zurückgeschaltet und bullig herausbeschleunigt. Von dort aus sind es gerade einmal 25 Minuten bis nach Bad Godesberg und Bonn zur Villa Hammerschmidt, dem Sitz des Bundespräsidenten. Neben dem legendären Mercedes 600 sind der W 116 und sein Nachfolger W 126 untrennbar mit der Bonner Republik verwoben. Klein, bürgerlich und im Vergleich zu den anderen internationalen Hauptstädten piefig im Vergleich zur großen Bühne mit den internationalen Vertretern der Weltmächte. Im Begleitprogramm von gepanzerten Politikerkolonnen und Staatsgästen gab es in der abendlichen Tagesschau zumeist ein Fahrzeug immer wieder zu sehen: die Mercedes S-Klasse. Seinerzeit oftmals grün, gelb, blau oder grau und fast niemals schlicht schwarz. In der viereinhalbjährigen Produktionszeit des Mercedes 450 SEL 6.9 liefen gerade einmal 7.380 Fahrzeuge vom Band; die meisten Modelle gingen in die USA, einige nach Asien und Südamerika. Der serienmäßige Velours ließ sich auf Wunsch zur Lederanlage aufbrezeln. Da sich der 6.9 in zwei Klassen - Selbstfahrer und Chauffeurfahrzeuge - teilte, konnte man sogar für den Fond elektrische Sitze, eine Sitzheizung und später erstmals ein serienmäßiges Anti-Blockier-System ordern. Dass nicht wenige der Luxuskarossen mit einem 18.000 Mark teuren Funktelefon ausgestattet werden, zeigt welch Kundenklientel mit Vorliebe im Fond der Nobelkarosse Platz nahm.
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- Veröffentlicht: 20. November 2020