BMW iX M70 xDrive

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VonFabian Mechtel

14. Oktober 2025

Der König der Stille

Als der BMW iX vorfuhr, war die Reaktion selten lauwarm: radikale Formensprache, mutige Materialwelten, konsequent elektrisch. Damit war er für manche BMW-Fans der vielleicht konsequenteste Bruch mit der eigenen Historie. Genau daraus bezieht der iX aber seine Strahlkraft. Mit dem neuen iX M70 xDrive spannen die Münchner den Bogen jetzt noch weiter: mehr Punch, mehr Präzision, mehr Reichweite. Ein elektrisches Reiseauto, das die Langstrecke entkrampft.

Der iX ist im Prinzip ein vollelektrisches SUV in X5-Größe. Allerdings wurde seine Plattform von Grund auf neu und eigenständig entwickelt. Im Gegensatz zu seinen Geschwistern wie iX1, i5 und i7 ist er also nicht einfach ein umgebauter Verbrenner. Das merkt man beim Öffnen der Türen sofort: Der Fahrzeugboden ist komplett eben. Und die Einstiege zeigen ein weiteres bemerkenswertes iX-Detail: Den strategischen Einsatz von Carbon im Chassis, wenn auch nicht mehr so ausgiebig wie früher beim i3. Mit der neuen Fahrzeugstruktur nutzten die Ingenieure einige technische Freiheiten für ungewöhnliche Proportionen, die den iX mehr an einen Großraumvan als an ein bulliges SUV erinnern lassen. So ist etwa die A-Säule weit vorn platziert und die Fensterlinie sehr niedrig. Ob einem das monolithische Design allerdings zusagt, bleibt Geschmackssache, denn schon im Stand wirkt der elektrische M-Spross wie kein BMW vor ihm.

Die Front ist, höflich formuliert, ein Statement, die „Iconic Glow“-Niere leuchtet so selbstbewusst, als würde sie sich über alle Kühlöffnungen der Vergangenheit hinwegsetzen. Die Konturen sind scharf, fast nahtlos laufen Flächen ineinander, und die Türgriffe liegen wie eingeschmolzen in der Karosserie. Rahmenlose Scheiben, mächtig akzentuierte Radhäuser, ein breites Heck mit üppigem Diffusor: das alles trägt ordentlich auf, die sportliche Verbindung zu den konventionellen M-Geschwistern bleibt dennoch eher vage, zu skulptural bleibt die Silhouette, zu diskret die M70-spezifischen Details. Doch man kann dem Understatement auch Positives abringen: Der iX ist groß, doch nie protzig. Die Maße: 4,97 Meter lang, 1,97 Meter breit, 1,70 Meter hoch. Radstand: drei Meter glatt. Innen regiert progressiver Luxus. Der iX nutzt seinen ebenen Fahrzeugboden konsequent: viel Beinraum vorn wie hinten, offene Lounge-Atmosphäre mit freistehendem BMW Curved Display, flacher Instrumententafel und einer schwebenden Mittelkonsole mit glitzerndem Glas-Controller, der eher an ein teures Schmuckaccessoire erinnert als an ein klassisches Fahrzeugcockpit. Bedienungsschwerpunkt sind Touch und Sprache; Tasten und Lüftungsdüsen bleiben filigran im Hintergrund, das Head-Up-Display integriert sich nahezu unsichtbar.

Neu im vollelektrischen Flaggschiff sind die M-Multifunktionssitze. Sie bieten breite elektrische Verstellwege inklusive Lehnenbreitenjustierung und Lordosenstütze, ausgeprägten Seitenhalt und serienmäßig auch Massage. Ausgeführt in einer Kombination aus Mikrofaser Sensatec mit großzügigem M-Nahtbild empfehlen sie sich haptisch wie optisch. Ein Highlight frühmorgendlicher Kaltstarts ist das Wärmekomfort-Paket samt beheizter Oberflächen an Instrumententafel, Handschuhfach, Türverkleidungen und Mittelarmauflage. Hiermit sorgt der iX M70 in Kombination mit der sehr effektiven Wärmepumpen-Klimatisierung sehr schnell für Wohlfühlambiente. Ein weiteres Highlight im Interieur ist das allerdings recht kostspielige Panorama-Glasdach „Sky Lounge“, das sich elektrochromatisch per Tastendruck verschattet und vor allem für die Fondpassagiere ein echtes Erlebnis ist. Akustisch setzt das Bowers & Wilkins Diamond Surround System eine fein zeichnende Messlatte. Das optionale Lautsprechersystem baut im iX eine Klangwelt, die ihresgleichen sucht. Nicht weniger als 30 Lautsprecher erschaffen eine Klangbühne, die jeden Song spürbar macht. Herzstück des immersiven Erlebnisses sind kleine, in die Vordersitze integrierte, Körperschallübertrager, die den Schalldruck des Subwoofers unterstützen und bei Bedarf für „good vibrations“ nicht nur im Trommelfell sorgen. Der Einsatz des nicht mehr ganz taufrischen BMW OS 8.5 für das Infotainment bleibt somit fast nur noch eine Randnotiz. Das Menü ist trotz seiner funktionalen Komplexität nach kurzer Eingewöhnung intuitiv bedienbar und jetzt um Funktionen wie Video-Streaming und In-Car-Gaming erweitert. Viele wichtige Features sind nach wie vor direkt über die Mittelkonsole bedienbar, mit dem gewohnten iDrive-Dreh-Drück-Steller und physischen Kurzwahltasten. So bleibt der Touchscreen eine Option für Fans des eigenen Fingerabdrucks.

Doch Effizienzpunkte auf dem Papier sind geduldig. Im Alltag zählen andere Dinge und bei einem Auto ist es vor allem das Fahren. Bei einem BMW natürlich immer auch die Freude daran. Doch wie fährt der iX M70 xDrive wirklich? Im Grunde, als hätte BMW die großen Tugenden der 7er-Reihe elektrisch interpretiert. Die adaptive Luftfederung bügelt alles weg, was sich ihr in den Weg stellt und doch steckt mehr dahinter als nur sänftengleicher Komfort. Es ist das Zusammenspiel aus der verfeinerten Kinematik der Doppelquerlenker-Vorderachse mit der feinfühligeren Abstimmung der Adaptivdämpfer und den M spezifischen Stabilisatoren. Denn so gelingt den Münchnern eine Balance, die die typischen Nachteile von Luftfahrwerken bei plötzlichen Bodenwellen oder schneller Kurvenfahrt ausmerzt und mit einer Sattheit und Mühelosigkeit ersetzt, die dem absoluten Komfort sehr nah kommt.

Man darf das M in der Typbezeichnung hier allerdings nicht missinterpretieren. Der iX M70 ist kein Konkurrent zu einem Porsche Taycan. Natürlich nicht, dafür ist er zu groß und zu schwer. Doch er ist weit mehr als ein schnelles Luxus-SUV. Er ist ein brillanter Gleiter. Einer, der auf der Langstrecke eine kaum zu übertreffende Ruhe und Gelassenheit bietet. Windgeräusche oder störendes Abrollen der Reifen kennt er nur aus der Theorie, obwohl die Scheiben rahmenlos sind und der Durchmesser der Räder gigantisch ist. Der iX würde mit verbundenen Augen locker als Rolls-Royce durchgehen. Doch natürlich kann er als M70 auch anders.

Die beiden fremderregten Synchronmaschinen der jüngsten eDrive-Ausbaustufe Gen5 kommen ohne Seltene Erden im Rotor aus und liefern im M70 im My Mode „Sport“ bis zu 485 kW/659 PS. Mit aktivierter Launch Control stehen bis zu 1.100 Nm an. Das reicht, um den 2,6-Tonnen-Koloss in 3,8 Sekunden auf 100 km/h zu katapultieren. Im „1-Foot-Rollout“ sogar in 3,5 Sekunden. Das sind Werte, die einst einem M5 CS vorbehalten waren. Eine neue Inverter-Generation mit Siliziumkarbid-Modul steigert zudem Leistungsdichte und Übertragungswirkungsgrad im Rest der E-Architektur und sorgt zusammen mit reibungsarmen Radlagern, A+-Effizienzreifen und Feinarbeit im Energiemanagement für eine bemerkenswerte Effizienz. Der kombinierte Verbrauch liegt im Alltag knapp über 20 kWh pro 100 Kilometer, auf einer flotten Etappe von München nach Frankfurt waren es exakt 24,1 kWh, was die 400 Kilometer stressfrei und ohne Ladestopp möglich macht. Die realistische Alltags-Reichweite liegt somit bei lockeren 500 Kilometern, ohne sich je Gedanken über Tempo oder Innenraum-Temperatur zu machen. Das Laden ist ebenfalls eine Paradedisziplin des iX M70.

Die 108,9 kWh große Batterie arbeitet auch nach der Modellpflege mit einer Spannungslage von 400 Volt und erlaubt ensprechend DC-Laden mit gut 200 kW, da hier die 500 maximal zulässigen Ampere der aktuellen Hypercharger-Generation voll ausgereizt werden. Immerhin: Die Ladekurve bleibt bis 40 Prozent auf nahezu maximalem Niveau, was nicht allen Konkurrenten im gleichen Maß gelingt. In einer Toilettenpause schafft man so gut 150 nachgeladene Kilometer. Auch von der Außentemperatur zeigt sich der iX dank intelligentem Einsatz von Wärmepumpe und Vorkonditionierungs-Strategien relativ unbeeindruckt. Von 10 auf 80 Prozent dauert es entsprechend auf bei kühlern Außentemperaturen nur gut 40 Minuten. Am Wechselstrom-Ladepunkt sind bis zu 22 kW möglich.

Eine Randnotiz wert ist der Blick zur Neuen Klasse, die BMW mit dem iX3 auf der IAA eingeführt hat. Die dort eingesetzte 800 Volt-Architektur setzt noch einmal neue Effizienzbestwerte und soll nicht nur 20 Prozent sparsamer sein als die bisherigen Antriebsgenerationen, sie setzt auch in Sachen Leistung und Laden neue Ausrufezeichen. Damit gilt auch für den iX M70 die alte Weisheit: Das Bessere ist des Guten Feind. Dennoch bleibt der große iX für BMW ein Technologieträger. Das zeigt er vor allem bei den Fahrerassistenzsysteme. Serienmäßig bringt er den Driving Assistant Plus mit. Dieser umfasst eine aktive Geschwindigkeitsregelung inklusive Stop-&-Go bis 180 km/h, Frontkollisionswarnung mit Bremseingriff und den Parking Assistant mit Rückfahrassistent und Kamera. Das Highlight ist allerdings der optionale Autobahnassistent mit Autonomie des Levels 2+. Auf baulich getrennten Schnellstraßen bis 130 km/h dürfen die Hände vom Lenkrad, solange der Blick die Umgebung überwacht. Der aktive Spurwechselassistent reagiert dabei sogar mit automatischen Spurwechseln, als Fahrer braucht es nur noch einen bestätigenden Blick in den Außenspiegel, der Rest übernimmt der iX.

Technische Daten BMW iX M70 xDrive

  • Motor: BMW eDrive Gen5, fremderregte Synchronmaschine vorne/hinten
  • Systemleistung in PS (kW): 659 PS (485 kW)
  • Systemdrehmoment: 1.100 Nm mit Launch Control
  • Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h
  • 0–100 km/h: 3,8 Sekunden
  • Getriebe: Automatikgetriebe, einstufig mit fester Übersetzung
  • Antrieb: Elektrischer Allradantrieb
  • Batterie: Lithium-Ionen mit 400 Volt
  • Batteriekapazität:108,9 kWh netto
  • WLTP-Reichweite: 521–600 Kilometer
  • DC-Ladeleistung: bis 195 kW (10–80 Prozent in 35 Minuten)
  • Testverbrauch: ca. 20–24 kWh/100 km
  • Leergewicht (kg): 2.580 kg
  • Ladevolumen (l): 500 bis 1.750 Liter
  • Gewicht, Herstellerangabe (kg): 2.655 kg
  • max. Zuladung (kg): 580 kg
  • Abmessungen (L/B/H): 4.965 / 1.970 / 1.695 (L/B/H)
  • Basismodell (Euro): 124.900

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