Zeitkapsel in Beryll-Metallic
Manchmal schreibt die Automobilgeschichte ihre erstaunlichsten Kapitel abseits großer Bühne. Der Mercedes-Benz 500 SL, den der britische Spezialist SLShop kürzlich der Öffentlichkeit präsentiert hat, ist so ein Kapitel.
Es gibt Scheunenfunde, und es gibt Scheunenfunde. Während die meisten Fahrzeuge dieser Kategorie irgendwann achtlos abgestellt wurden und dann unter zentimeterdickem Staub wieder ans Tageslicht gelangten, lief die Geschichte dieses Mercedes-Benz 500 SL anders. Der Kaufvertrag notiert den 30. November 1982 als Übergabedatum, ab dem das Leben des großen V8-Roadsters aus Stuttgart völlig anders verlief, als das seiner Artgenossen.

Ganze 42 Jahre lang stand er, perfekt konserviert, in einer klimatisierten Garage, fernab vom Sonne, Staub und Straßenverkehr. Knapp 68 Kilometer stehen auf dem Tacho, die das Fahrzeug als echte Zeitkapsel qualifizieren und ihn selbst für Oldtimer-Verhältnisse einzigartig machen.
Im britischen SLShop, einem auf klassische Mercedes-Modelle spezialisierten Unternehmen im britischen Warwickshire, wird der SL der Baureihe R107 nun erstmals der Öffentlichkeit gezeigt. Der Zustand: fabrikneu. Motorraum, Unterboden und Auspuffanlage tragen noch das originale Schutzwachs, alle Aufkleber ab Werk sind erhalten geblieben. Das Fahrzeug wird inklusive originaler Verkaufsdokumente präsentiert, sogar die Fahrzeugpapiere – der R107 wurde nie zugelassen – sind vorhanden. Den bei klassischen Mercedes oft nur empfindlich teuer zu entfernenden Rost sucht man hier natürlich ebenfalls vergeblich.

Der zurückhaltende Gentleman Mr. Hough, der den beryll-farbenen 500 SL einst neu orderte, griff nicht nur zur damaligen Spitzenmotorisierung, sondern stattete den Roadster auch üppig aus: Klimaanlage, Sitzheizung, Lederpolster, Rücksitze, Antiblockiersystem und die wirklich seltene Metalliclackierung mit ihrem wunderbar hellen blaugrün. Die Optionen addierten sich zu gut zehn Prozent des ohnehin stolzen Grundpreises von 71.250 Mark. Damit lag der SL sogar über dem Basispreis eines vergleichbaren 500 SEL. Dennoch produzierten die Schwaben bis 1989 ganze 11.812 Exemplare des Roadsters mit dem 240 PS starken 5,0-Liter-V8-Motors.
Auch wenn der R107 durch seine lange Bauzeit und die hohen Stückzahlen kein ausgesprochener Exot unter den Klassikern ist, wird ein Exemplar in diesem Zeitkapsel-Zustand immer eine Rarität bleiben. Denn Sammler zahlen heute Höchstpreise für Fahrzeuge, die so unberührt sind wie das Fahrzeug von Mr Hough. Vor allem, wenn nicht nur der Kilometerstand stimmt, sondern auch das gesamte Erscheinungsbild original, authentisch und unrestauriert ist.


Verkauft werden soll der 500er übrigens nicht, stattdessen entsteht im SLShop in Stratford-upon-Avon eine permanente Ausstellung, die Mr. Houghs Vision und die Faszination des unberührten Klassikers bewahren soll. Geplant sind einige wenige öffentliche Auftritte, etwa in der Mercedes-Benz World in Brooklands, damit die automobile Kostbarkeit der Öffentlichkeit nicht länger verborgen bleibt und die nächsten Jahrzehnte von Generationen neuer Oldtimerliebhaber bewundert werden kann.

