Jaecoo 5 HEV

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VonWolfgang Gomoll

4. November 2025

Der nächste Schritt

Hierzulande spielt die Musik im Segment der Kompakt-SUVs. Der VW T-Roc, der Hyundai Tucson, der Renault Austral und Co. bekommen mit dem Jaecoo 5 HEV einen neuen Herausforderer, der nicht nur über den Preis punktet.

Gut kopiert ist besser als schlecht selbst entworfen – so lautet ein altbekanntes Motto der Automobilindustrie. Das gilt im Westen genauso wie im Osten. Ein Beispiel ist der Jaecoo 5 HEV: ein Kompakt-SUV, der aussieht wie ein Range Rover, aber aus Wuhu stammt. Man könnte meinen, die Designer hätten sich in Solihull verlaufen und die Blaupause versehentlich nach Anhui gefaxt. Der Jaecoo 5 HEV, der voraussichtlich im zweiten Quartal des kommenden Jahres nach Deutschland kommt, wird hierzulande ohne klassischen Kühlergrill antreten. Hat also schon die überarbeitete Formensprache. Herausgekommen ist ein Auto, das zwischen Peking und Guangzhou längst zum Establishment gehört. Wer allerdings immer noch glaubt, chinesische Hersteller kämen mit billigem Plastik und Spaltmaßlotterie, sollte noch einmal nachdenken.

Innen ist der Jaecoo 5 HEV alles andere als ein nachlässig zusammengeschusterter Plastikbomber, sondern eher ein moderner Pragmatiker. Das trifft den europäischen Geschmack. Weniger Bling-Bling und zu viele Chromleisten, dafür saubere Nähte und exakt eingepasste Elemente. Der Wechsel zwischen unterschäumten und genarbten Oberflächen sieht gut aus und fühlt sich wertig an. Die Ledersitze sind dank großzügiger und ausreichend straffer Polsterung bequem. Allerdings könnten sie, wie es bei manchen Gestühlen in chinesischen Autos der Fall ist, etwas mehr Seitenhalt bieten. Dass die Sitze belüftet und beheizbar sind, versteht sich bei einem Fahrzeug aus dem Reich der Mitte, das in dieser Klasse erfolgreich sein will.

Das Cockpit wird von einem hochformatigen 13,2-Zoll-Touchscreen dominiert, flankiert von einem 8,8-Zoll-Fahrerdisplay. Auch das gehört in China zum guten Ton. Wenig überraschend ist auch im Jaecoo 5 HEV die Bedienlogik überwiegend digital und setzt auf die bewährte Kacheloptik. Dank der Direktwahltasten am unteren Rand des Monitors, gelangt man ohne große Umwege zum Hauptbildschirm und kann die Klimaanlage einstellen. Wer dennoch auf die Optik des eigenen Smartphones nicht verzichten will, kann sein Gerät drahtlos per Apple CarPlay oder Android Auto in das Infotainment integrieren. Bei unserem Testwagen war die 540-Grad-Kamera installiert, die die Rundumsicht um einen Blick unter das Fahrzeug ergänzt. Das kann bei schwierigen Bedingungen das Rangieren deutlich erleichtern.

Beim Platzangebot gibt es ebenfalls wenig zu bemängeln. Das ist bei einem Gefährt mit 4,38 Metern Länge nicht selbstverständlich. Vorn sitzt man Crossover-typisch hoch und hinten mit überraschend viel Knie- sowie Kopffreiheit. Selbst bei einer Körpergröße von 1,85 Metern. Der Kofferraum fasst in der Grundkonfiguration 450 Liter. Legt man die Lehnen der Rückbank um, werden 1.265 Liter daraus. Nicht rekordverdächtig, aber durchaus in Ordnung. Der Jaecoo 5 HEV basiert wie der Tiggo Cross HEV auf Cherys T1X-Plattform. Das bedeutet eine McPherson-Vorderachse und eine Mehrlenker-Hinterachse. Technisch positioniert sich der Jaecoo 5 HEV als Kompakt-SUV mit Hybridantrieb. Basis ist ein 1,5-Liter-Turbobenziner mit 110 kW / 150 PS, der von einem Elektromotor mit rund 40 kW / 54 PS unterstützt wird. Nimmt man die Daten des verwandten Tiggo Cross HEV als Anhaltspunkt, addiert sich die Kombination aus alter und neuer Antriebswelt zu rund 150 kW / 204 PS und einem maximalen Drehmoment von 310 Newtonmetern. Diese Leistung reicht bei einem Gewicht von etwa 1.700 Kilogramm locker aus. Noch stehen die europäischen Werte aus.

Die Batterie hat eine Kapazität von rund 1,8 Kilowattstunden, was rein elektrisch für zwei bis drei Kilometer reicht. Das reine Stromern ist auch nicht die Kernkompetenz der Energiespeicher. Da es geht vor allem um die elektrische Unterstützung des Vierzylinder-Triebwerks. Aus diesem Grund gibt es drei Rekuperationsstufen: Niedrig, Mittel und Hoch. Schließlich muss ja immer wieder Strom in die Akkus fließen. Bei all diesen Vorzügen stört es auch nicht, dass der Hybridantrieb die Kraft ausschließlich an die Vorderräder schickt. Allrad gibt es in dieser Version nicht. Im Alltag reicht der Frontantrieb völlig, und der elektrische Schub sorgt für einen flotten Antritt an der Ampel. Im Eco-Modus lässt er sich dank des Siebengang-Doppelkupplungsgetriebes entspannt fahren und man fragt sich, warum man überhaupt auf das Sport-Fahrprogramm umschalten sollte. Der Unterschied zwischen beiden Fahrmodi ist marginal. Tritt man das Gaspedal aber durch, meldet sich der Verbrennungsmotor mit einem maulenden Knurren, das nicht ganz zum ansonsten kultivierten Auftritt passt. Dazu trägt auch die Abstimmung des Fahrwerks bei. Die ist zwar komfortabel, aber deutlich verbindlicher als bei vielen bisher gefahrenen Modellen. Die chinesischen Ingenieure lernen offenbar auch auf diesem Gebiet dazu.

Die Fahrleistungen für Europa stehen noch nicht fest. Wir gehen von einer Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h und einer Zeit von rund neun Sekunden für den Sprint von null auf 100 km/h aus. Der Durchschnittsverbrauch pendelte sich bei unserer Testfahrt auf 6,7 Liter pro 100 Kilometer ein, was für ein SUV dieser Größe respektabel ist. Wer viel in der Stadt unterwegs ist, profitiert stärker vom Hybridanteil und kommt auch mal darunter. Auf der Autobahn steigt der Durst, aber nicht dramatisch. Allerdings waren wir in China unterwegs. Das bringt uns zum Preis. Der steht für Deutschland noch nicht fest, dürfte aber mindestens 30.000 Euro betragen.

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