Emily – einmal ganz anders
Eine derart große Rolls-Royce-Sammlung sucht man in den Vereinigten Staaten, Großbritannien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten vergeblich. Wer die spektakulärsten Rolls-Royce aller Zeiten sehen will, kommt um einen Abstecher ins spanische Baskenland kaum herum.
Rolls-Royce und Spanien? Und dann noch das nordspanische Baskenland? Doch – so ist es. Miguel de la Via machte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Bauunternehmer im Baskenland mehr als ein kleines Vermögen. Seine Leidenschaft für Autos veranlasste ihn, die letzten 24 Jahre seines Lebens dem Aufbau einer sensationellen Sammlung historischer Fahrzeuge zu widmen. Die Hauptdarsteller tragen als Kühlerfigur Emily auf der Haube. Die Familie de la Via besaß im sehenswerten Tal von Galdames am Rande der Stadt Bilbao einige Grundstücke; darunter eine historische Festung aus dem 12. Jahrhundert mit einem 25 Meter hohen Turm. Den ließ de la Via zunächst einmal aufwendig restaurieren. „Mein Onkel verbrachte seine Kindheit damit, durch die Gärten dieses Anwesens zu laufen, daher war seine Verbindung zu diesem Land für ihn etwas ganz Besonderes”, erklärt Fabricio Careaga, sein Großneffe als Leiter der Sammlung Miguel de la Via.

Derzeit umfasst der architektonisch mehr als ansehnliche Komplex jenen 25 Meter hohen Turm, der von mehreren Gebäuden mit einer Gesamtfläche von etwa 45.000 Quadratmetern umgeben ist. Das altertümliche Bild wird von einer Zugbrücke nebst Schutzmauern komplettiert. Hinter den historischen Mauern befindet sich die größte Sammlung historischer Rolls-Royce-Modelle in ganz Europas. Sie besteht aus 45 einzigartigen Fahrzeugen, die zwischen 1910 und 1990 hergestellt wurden. Unter ihnen britische und amerikanische Versionen, die jene Ära widerspiegeln, in der das Unternehmen Fabriken auf beiden Seiten des Atlantiks betrieb. „Miguel verstarb 2009 und die Sammlung umfasst noch immer dieselben Autos wie damals, weil wir ihren Reichtum so bewahren wollten, wie er ihn geschaffen hatte, um sein Andenken zu ehren, aber wir haben sie für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht, damit diese diese Kunstwerke bewundern kann”, erklärt Fabricio mit sichtlichem Stolz: „die Wirkung dieses Werks war seit seinen Anfängen im Jahr 1985 groß, und die Menschen in dieser Gegend fantasierten fantastische Geschichten, wie zum Beispiel, als das Gerücht umging, dass der Graben des Turms mit Wasser und Krokodilen gefüllt würde”.
Anstelle von fleischfressenden Reptilien trifft der Besucher auf sechs prächtige Säle, in denen die 81 Klassiker (45 Rolls Royce und 36 Modelle anderer Marken) ebenso übersichtlich wie sehenswert in Szene gesetzt wurden. „Wir haben einen Mechaniker, der seit 30 Jahren für die Familie arbeitet und sich um die Wartung der Autos kümmert. Er bringt sie Tag für Tag einzeln zum Laufen, um sicherzustellen, dass sie alle funktionieren. Und sie funktionieren”, freut sich Fabricio, „unser Cicerone wird von seiner Mutter Maria Lopez Tapia de la Via, der Nichte des Gründers, unterstützt, die sich um die Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation der Sammlung kümmert und bei diesem Besuch dabei war.“ In Saal eins sind Modelle aus dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts ausgestellt, einer Zeit, die geprägt war von Concours d’Elegance und Rennen auf öffentlichen Straßen. Hier sind die damaligen Konkurrenten von Rolls-Royce zu sehen, wie der Isotta Fraschini 8A oder der Hispano Suiza K6, neben einzigartigen Exemplaren der ersten pferdelosen Kutschen. In Saal zwei geäugt der Besucher eine sorgfältige Auswahl deutscher und englischer Sportwagen aus den 1950er Jahren von Marken wie Porsche, Mercedes, BMW, MG, Austin Healey und Jaguar. Die dritte Halle gehört den Sportwagen und den glänzenden Rolls-Royce-Modellen aus den 70er und 80er Jahren wie Corniche, Camargue oder dem Silver Spirit, begleitet Schönheiten wie Jaguar XK, E-Type, Lamborghini Countach und Ferrari Testarossa.

Zwischen 1919 und 1939 war die Welt zwar frei von Weltkriegen, aber die Weltwirtschaftskrise richtete großen Schaden bei den Automobilmarken an, sodass Rolls-Royce 1931 in den Besitz von Bentley überging, nachdem 1925 bereits die erste Generation des Phantom auf den Markt gekommen war. Einige der Rolls-Royce-Modelle dieser Zeit waren daher weniger extravagant, wie das 20 HP Doctor’s Coupe oder das 20/25 Cabrio. In den Halle fünf und sechs können die Museumsbesucher nicht allein die besonders exklusiven Phantom-Generationen bewundern, sondern auch die Silver Ghosts oder der Allen Runabout von 1898, das älteste der 81 Fahrzeuge.
Auf die Frage welcher Rolls-Royce der wertvollste in der Sammlung ist, antwortet Fabricio Careaga ohne zu zögern: „Unser Phantom IV, der Teil einer Bestellung von zwei Limousinen war, die vom Karosseriebauer Mulliner entworfen und 1955 an ihren ersten Besitzer, den Emir von Kuwait, ausgeliefert wurden. Vier Jahrzehnte später kam diese Limousine in Kupfer, Gold und Silber nach Torre Loizaga, das die Ehre hat, eines von nur siebzehn Exemplaren weltweit zu besitzen.” In Spanien gibt es nicht weniger als drei davon, wobei die beiden anderen Teil der Flotte von General Franco waren, von denen eines dem aktuellen König von Spanien bei seiner Krönung 2014 als Transportmittel diente. Besonders beliebt war beim Großonkel jedoch das Silver Ghost Convertible; in Australien gekauft und von dort per Schiff nach Bilbao verschifft. Unter diesen einzigartigen Automobiljuwelen lassen sich nur schwer besondere Exemplare hervorheben: der Silver Ghost Roi des Belges aus dem Jahr 1910; silberfarben, mit blauer Motorhaube und roten Sitzen – ist der älteste Rolls Royce der Sammlung und trägt daher nicht die berühmte Statue Spirit of Ecstasy auf der Motorhaube. Diese Skulptur wurde erst 1912 erschaffen. Dieses Fahrzeug wurde bei der Langstreckenfahrt „Rund um die Welt in 80 Tagen” von London nach Peking eingesetzt. Das Modell mit Scheibenbremsen war das letzte Auto, das 2009, dem Todesjahr von Miguel de la Via, in die Sammlung aufgenommen wurde.
















