Dass weiße Gummiwolken und bis zu vier grüne Passagiere nicht alles sind, was der neue Ford Focus RS zu bieten hat, dürfte klar sein. So fällt schon beim ersten Kontakt sein geringes Aggressionspotenzial auf. Sprich, die Heckspoiler-Theke ist ungewohnt zurückhaltend gestaltet. Im Innenraum geht es durchaus komfortabel zu und sowohl der Spritverbrauch als auch der berüchtigte Wendekreis wurden reduziert. In Zahlen ausgedrückt muss nun ein RS-Fahrer 7,7 Liter Super nach 100 Kilometern nachfüllen. Gleichzeitig schafft er es in mindestens einem Zug weniger aus einer engen Parklücke heraus. Was sich noch zum Besseren verändert hat, ist seine Fahrdynamik. Kurz gesagt ist aus einem untersteuernden Kraftmaxe ein leicht zum kontrollierten Übersteuern neigender Kurvenfresser geworden - was selbst auf dem Beifahrersitz erfahrbar wird. Aber auch nur dann, wenn etwas zu flott oder zu spät und somit zu stark in die Kurve eingelenkt wurde. Beim früher als je zuvor möglichen Herausbeschleunigen zieht seine brachiale Kraft von bis zu 470 Newtonmetern den RS offensichtlich ausgezeichnet aus jeder misslichen Lage gerade wieder heraus.
Logikfehler
Für die korrekte Gangwahl steht beim ab 39.000 Euro teuren Ford Focus RS ausschließlich ein manuelles Sechsganggetriebe bereit. Für echte Motorsportfans oder Ford-Testfahrer ist das natürlich kein Hinderungsgrund. Zumal sich der trotz des Antriebswechsels lediglich um 70 Kilogramm schwerer gewordene RS sehr leicht und kommod in den gewünschten Gang versetzen lässt. Wer die 4,7 Sekunden bis zur Tempo 100-Markierung tatsächlich erfahren möchte, sollte mit der Launch Control eigentlich die größten Chancen haben. Bei ersten Tests in Vorserienfahrzeugen weist sie allerdings noch ernste Funktionsdefizite auf, die selbst dem Testpersonal noch die eine oder andere Sorgenfalte auf die Stirn zaubern. Laut Ford sollen diese natürlich bei der Markteinführung korrigiert sein. Der 4,39 Meter lange und 2,01 Meter breite Fünftürer schafft aber auch ohne die Ampelstartunterstützung im Nu 266 Kilometer pro Stunde. Dank des 2,3 Liter großen Reihenvierzylinders mit Turboaufladung tritt zu keinem Zeitpunkt das Gefühl auf, am Ende des Tages doch ein wenig mehr Leistung zu vermissen.
Einzig beim zufälligen Erspähen des aufblinkenden RS-Logos im Tachobereich vermisst sogar der Beifahrer eine gewisse Logik im Betriebsablauf. Denn in Beschleunigungssituationen, bei denen normalerweise nicht der Blick nach unten auf die dunkle Tachoscheibe gerichtet wird, blinkt jenes Logo auf, wenn der Schaltzeitpunkt erreicht ist. Ein paar Zentimeter höher und es würde ins periphere Sichtfeld wandern. So ist es leider völlig wirkungslos - oder dient lediglich dem Mitfahrer als Schaltpunktansagen-Zeitpunkt. Alles in allem zeigt Ford mit dem neuen RS, dass nicht nur der Fahrer bei einem fahrzeuggemäßen Umgang richtig viel kontrollierten Spaß haben kann. Alternativen, wie der wesentlich teurere Mercedes-AMG A 45 4Matic, müssen sich trotz Mehr-PS auf einen heißen Konkurrenzkampf gefasst machen.
Autor: Marcel Sommer, Lommel Stand: 30.10.2015
Fotos: Marcel Sommer
- Details
- Geschrieben von marcel-sommer
- Veröffentlicht: 30. Oktober 2015