Auch wenn der kleine schwäbische Tuner AMG, der detailverliebt an Motoren und deren Drumherum herumbastelte, Mitte der 80er Jahre an die automobile Wahrnehmungsgrenze gespült worden war, wirkliche Bekanntheit hatte der Motorenveredler außerhalb der Sportwagengemeinde nicht. Das sollte sich ändern, nachdem Motorenpapst Erhard Melcher 1984 einen weitgehend eigenständigen Zylinderkopf ersonnen hatte. Er machte aus dem souveränen, aber betont betulichen Fünfliter-V8-Motor eine Bestie, die ihresgleichen suchte. Statt zwei Ventilen gab es pro Zylinder derer vier; dazu eine scharfe Nockenwelle und allerhand Beiwerk, um aus dem V8-Paket eine wahre Kraftmaschine zu machen. Es gab vom nachgeschärften Triebwerk auch zahmere Varianten mit 5,0 und 5,6 Litern Hubraum. Doch "The Hammer" saugte jedoch aus dem Vollen und könnte seine üppige Leistung von 283 kW / 385 PS aus sechs Litern Brennraum schöpfen. Das maximale Drehmoment: unvorstellbare 566 Nm.
Ein Tag in der Eifel
Wer beim Starten des Hammer-Triebwerks eine Urgewalt von Getöse erwartet hätte, sieht sich getäuscht. Die vier Seitenscheiben sind angesichts wohligen Eifelwetters heruntergefahren und es ist nach dem Dreh am Zündschlüssel ein grimmiges Brummen zu vernehmen. Dies stammt unverkennbar von einem Achtender, mag aber vom Klangbild kaum zum gewohnten 500er-Triebwerk passen, das man bestens aus den Modellen der 126er-Baureihe kennt. Erst ein paar Jahre später wird der 500er-Motor in den 124er verpflanzt. Im Sommer 1988, Stefan Edberg hat Boris Becker gerade erfolgreich das Wimbledon-Finale verdorben, hört die Motorenpalette des 124er Coupés an sich bei 220 PS auf. Die 385 PS des 300 CE 6.0 AMG sind daher beinahe ebenso schamlos wie die Höchstgeschwindigkeit von 289 km/h.
Es geht noch im langsamen Galopp durch die Eifel. Die Nordschleife des Nürburgrings liegt nur ein paar Kilometer weiter nördlich und das über 20 Kilometer lange Eifelgeschlängel würde wohl auch dem Hammer gefallen. So langsam wird der Motor warm, das Klangbild satter und der Tatendrang des Piloten ambitionierter. Es fällt schnell die präzisere und insbesondere schwergängigere Lenkung des schwarzen Dämons auf. Das Fahrwerk ist mit seinen kürzeren Federn und strafferen Dämpfern an der feinen Grenze zwischen stramm und straff. Der Wagen taucht in den kleinen Eifelsenken immer wieder kurz ein, um sich direkt wieder seiner Sportlichkeit zu erinnern. Für viel Restkomfort sorgt die alles andere als verwindungssteife Karosserie des Daimler-Coupés, bei dem die Seitenscheiben mittlerweile nach oben geklettert sind, um den Fahrwind auszusperren. Die Ledersitze haben mit den weichen Seriensesseln aus dem Hause Mercedes nichts gemein. Es sind vollelektrische Sportstühle aus dem Hause Recaro. Seitenhalt und Verstellmöglichkeiten sind auch nach heutigen Maßgaben noch vorbildlich; die in die rechte Seitenwange eingearbeitete Schalterklaviatur würde jedoch nach einem Blick in die nicht vorhandene Bedienungsanleitung verlangen.
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- Veröffentlicht: 22. Juni 2017