Gleichermaßen spektakulär und doch unauffällig sind jedoch die beiden Versionen, die Mercedes seinerzeit zusammen mit Wolfgang Wöstendieck für Staatsbesuche bereit hielt. Beide 600-Pullman waren schwer gepanzert und sollten gefährdeten Staatsgästen wie Prinz Charles, Erich Honecker, Boris Jelzin oder Leonid Breschnew nicht nur Komfort, sondern auch die nötige Sicherheit auf deutschen Straßen geben. "Insgesamt war ich zwischen 1971 und 1993 bei 116 Staatsbesuchen dabei", erzählt der aus Bremen stammende Wolfgang Wöstendieck, "ich kam über meine Fahrlehrertätigkeit bei der Bundeswehr nach Stuttgart. Hier fing ich bei Mercedes als Werksfahrer an und wurde nach ein paar Jahren Fahrer der Staatslimousinen. Eigentlich durch Zufall."
Heimspiel in Bonn
Zwischen dem Bonner Dreieck aus Villa Hammerschmidt, Petersberg und Bad Godesberg fühlte sich der Wahlschwabe einst wie zu Hause. Seine Übernachtungen am Petersberg, dem ehemaligen Gästehaus der Bundesregierung oder in einer kleinen Pension in Bonn sind ungezählt. "Die meiste Zeit haben wir sowieso im oder am Wagen gewartet", erinnert sich Wöstendieck, "manchmal viele Stunden. Bei Empfängen und Staatsbesuchen mussten wir natürlich immer im Auto bleiben. Zum Glück hatte ich immer meine Survival-Box dabei - eine kleine Kodak-Kühltasche mit Schokolade, Cola und Chips. Versorgt wurden wir ja nie." Dass seine Wartezeit sehr komfortabel war, kann man ebenfalls nicht behaupten. Während sich die Staatsgäste im 6,24 Meter langen 600 bequem ausbreiten konnten, kauerten Wöstendieck und seine Kollegen im engen Volant. Die ebenfalls gepanzerte Trennscheibe ließ kaum Platz für das Personal in der ersten Reihe. Der bequeme Fond war tabu. Wolfgang Wöstendieck: "Meist saß am dem Beifahrersitz neben mir ein Sicherheitsbeamter vom BKA." Für die Sicherheit der Gäste sorgten nicht nur Fahrzeugkolonne und Sicherheitsbeamte, sondern auch die Schwerpanzerung in B6/B7, die den an sich 2,7 Tonnen schweren Pullman auf rund 4,5 Tonnen drückte. Auch vom neuen Mercedes-Maybach S600 Pullman dürften die meisten Versionen mit schweren Panzerungen versehen werden - um den gefährdeten Personen luxuriösen Fond maximalen Schutz zu bieten.
Die Staatslimousine von einst musste bei offiziellen Empfängen immer mit dem Gesicht nach links stehen - so stand es im Protokoll. Einen Unfall hat es bei den zahllosen Dienstfahrten der deutschen Pullman-Generation ab 1965 nicht gegeben. Einmal sorgte an unscheinbarer Poller beim Münchner Wirtschaftsgipfel für einen Kratzer an der Chromstoßstange. Und den ersten Punkt in Flensburg bekam der ehemalige Chauffeur Wöstendieck erst Jahre nach seiner Pensionierung am Steuer seines kleinen Smart Fortwo.
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- Veröffentlicht: 18. Februar 2015